Fördern moralische Geschichten die Ehrlichkeit?
Kinder lügen seltener nach positiven Botschaften in Märchen
"Und die Moral von der Geschicht'…" – kommt am besten auf welche Art an? Animieren Märchen die kindlichen Zuhörer mehr zu moralischem Verhalten, wenn vor Fehlverhalten gewarnt wird, oder wenn richtiges Benehmen positiv bewertet wird? Kanadische Forscher konnten nun zeigen: Die positiven Aussagen machen Eindruck - Warnungen dagegen kaum.
Schummeln beim Spielzeug-Raten
Die Forscher um Kang Lee von der University of Toronto führten ihre Studie mit der Unterstützung von insgesamt 268 Kindern im Alter zwischen drei und sieben Jahren durch. Die Forscher spielten mit jedem einzelnen Kind ein Spiel, bei dem es die Identität eines verdeckten Spielzeugs anhand eines Geräusches erraten sollte. Im Verlauf des Spiels gab der Experimentator vor, den Raum kurz verlassen zu müssen, um Etwas zu holen. Bevor er ging, sagte er noch zu dem Kind: Aber nicht gucken! Doch die Verlockung war offenbar für die meisten der Kleinen zu groß: Sie schauten doch schnell nach, um was für ein Spielzeug es sich handelte.
Nachdem die beiden das Spiel beendet hatten, las der Experimentator dem jeweiligen Kind eine Geschichte vor. Bei einem Teil der Kinder handelte es sich um eine Erzählung, in der Lügner negative Folgen ertragen mussten: Wie bei Pinocchio war die Unwahrheit mit peinlichen Konsequenzen verbunden oder sogar mit dem Tod. Ein anderer Teil der Kinder hörte hingegen eine Geschichte, in der Ehrlichkeit als etwas sehr ehrenhaftes gepriesen wurde. Die Kontroll-Gruppe bildeten wiederum Kinder, die eine Geschichte vorgelesen bekamen, welche gar nichts mit Lügen oder Ehrlichkeit zu tun hatte.
Positive Botschaften funktionieren
Nachdem die Kinder ihre jeweilige Geschichte gehört hatten, stellten die Forscher ihnen eine kritische Frage: Hast du vorhin doch nachgeschaut, was es für ein Spielzeug ist, als ich weg war? Bei den Antworten zeigte sich nun der Einfluss der jeweiligen Geschichte: Diejenigen, welche die Erzählungen gehört hatten, die Ehrlichkeit priesen, waren am aufrichtigsten: Sie gaben am häufigsten zu, unerlaubt nachgesehen zu haben. Die Geschichten mit den warnenden Botschaften im Zusammenhang mit Lügen verfehlten ihr Ziel hingegen: Genauso viele Kinder wie aus der Kontrollgruppe verleugneten ihr Fehlverhalten.
Dieses Ergebnis konnten die Forscher zusätzlich noch untermauern: Wenn sie das Ende der Geschichten mit der positiven Botschaft so veränderten, dass der jeweilige Lügner bestraft wurde, schwand der günstige Effekt auf die Ehrlichkeit der Kinder. „Unsere Ergebnisse belegen: Um moralisches Verhalten zu stärken, ist es besser, die positiven Effekte ehrlichen Verhaltens herauszustellen, als vor den negativen Folgen des Lügens zu warnen", resümiert Lee. Dieses Prinzip könnte auch für andere moralische Verhaltensweisen gelten, vermuten die Forscher. Die Ergebnisse haben offenbar bereits die erzieherischen Strategien einer der beteiligten Forscherinnen beeinflusst. Victoria Talwar von der McGill University sagt: „Die positiven Botschaften scheinen zu funktionieren – das nutze ich jetzt bei meinem Kind."
(Psychological Science, 2014; doi: 10.1177/0956797614536401
(Lee et al., Psychological Science, 20.06.2014 - MVI)
Nota.
Erstens war das nur ein sehr, sehr kleiner Versuch. Und zweitens betrug der Unterschied zwischen Droh- und Lobgeschichten nur ganze 18%. Ist das der Rede wert? Das frage ich nur ungern. Denn viel lieber hätte ich an die Meldung den Kommentar gefügt, das Hauptgeschäft des Erziehers sei eben die ästhetische Darstellung der Welt. Indes - würde diese Erkenntnis falsch, wenn sich empirisch erwiese, dass das gar nicht viel nützt? Nein, würde es nicht, denn es ist an sich richtig und nicht erst in Hinblick auf den möglichen Nutzen. Denn das ist der Unterschied zwischen den beiden Sorten Erzählungen: Die eine argumentiert mit Schaden und Nutzen, die andere zeigt, was schöner ist.
JE
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