Dienstag, 31. Januar 2017

Was darf man von schulischen Leistungstests erwarten?

aus nzz.ch, 31.1.2017, 05:30 Uhr

Pisa-Studie Falsche Erwartungen an schulische Leistungstests
Was vermögen schulische Leistungstests selber zu leisten? Jedenfalls nicht eine Entpolitisierung bildungspolitischer Entscheidungen durch «wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse».

Gastkommentar von Walter Herzog 

Die NZZ hat mir rückwirkend die Verbreitung ihrer Inhalte untersagt. Ich werde sie nach und nach von meinen Blogs löschen 
Jochen Ebmeier

Nota. - Da ist so vieles kritikwürdig an dem PISA-Verfahren, und so viel - viel mehr als in obigem Beitrag - ist auch längst kritisiert worden. Der wichtigste Punkt, an dem jede sachliche Diskussion ein Ende findet, ist, dass das PISA-Establishment seine Karten gar nicht auf den Tisch legt: Weder die Forschungsmethoden - Fragebögen usw. - werden der Öffentlichkeit verraten noch gar die Ergebnisse der Erhebung publiziert. PISA entzieht sich der Kritik durch die wissenschaftliche Community. PISA gehört nicht zur Wissenschaft und will es gar nicht. 

Das Wichtigste am obigen Beitrag steht in der letzten Zeile: Solche Tests verfolgen den Zweck, mit Hilfe von Wissenschaft das Bildungswesen dem politischen Meinungssstreit zu entziehen und zu einem Monopol "rein sachorientierter" Technokraten zu machen. Der springende Punkt dabei ist, dass nicht nur die Technokraten dieses Ziel verfolgen, sondern die Politiker auch: Sie wollen sich die Verantwortung vom Halse schaffen und an eine objektive Instanz weiterreichen. Denn das war der Zweck der Wisssenschaft und hat ihren phantasti- schen Aufschwung seit dem 17. Jahrhundert begründet: den Raum des öffentlich Strittigen, das letzten Endes nur durch ein Macht-Wort entschieden werden kann, einzugrenzen und immer mehr Bereiche des öffentli- chen Lebens einer unumstrittenen Autoritiät zu überantworten; mit andern Worten, die Rolle, die einst der Glauben gehabt hatte, der uninteressiert(er)en Gemeinschaft der Gelehrten anzuvertrauen.

Kaum ein Thema ist so strittig wie die Erziehung und Bildung der heranwachsenden Generation, denn kaum eines hängt unmittelbarer von der unmittelbaren Zukunft ab, die man befürchtet oder erhofft, will sagen: Kaum eines ist politischer. Umso verständlicher der Wunsch, die Zukunft unserer Kinder den Zufällen un Leidenschaften des Meinungskampfs zu entziehen und in vertrauenswürdige Hände zu legen.

Dumm ist nur, dass gerade dieser Teil des öffentlichen Lebens ganz und gar nicht zur Wissenschaft taugt.
JE 




Freitag, 20. Januar 2017

Das Schulfach Turnen entstand aus militärischen Gründen

aus derStandard.at, 19. Jänner 2017, 14:12

Schulfach Turnen entstand aus militärischen Gründen
Eine Schweizer Studie zeigt, dass die Gestaltung der Schule der vergangenen 150 Jahre ein Abbild gesellschaftlicher Erwartungen war

Bern – Turnen aus militärischen Gründen, Werken wegen Wirtschaftskrisen und das Lernen von Fremd- sprachen aus ökonomischen Überlegungen heraus: Die Schule sei eine gesellschaftliche Problemlösungs- agentur gewesen, die sich je nach historischem Kontext veränderte, schreibt der Schweizerische National- fonds (SNF), der das Projekt unterstützt hat, bei dem erstmals die inhaltliche Entwicklung der Schule über die Schweizer Landesteile hinweg vergleichend untersucht wurde. Dafür haben die Forschenden Inhalte von Lehrmitteln, Schulbüchern und Lehrplänen von zehn Kantonen aus den vergangenen 150 Jahren rekonstruiert und analysiert.

Fremdsprache wegen wirtschaftlichen Nutzen

Die Analyse zeigt, dass beispielsweise der wirtschaftliche Nutzen lange das dominierende Argument für die Einführung einer Fremd- respektive Landessprache war.

Weiters zeigt die Studie, dass das Fach Geschichte erst in den 1960er-Jahre zu einem kritisch-reflexiven Unterricht wurde, der auf politische Mündigkeit und Teilhabe zielte. Zu einem eigenständigen Schulfach hat es die politische Bildung nur im Tessin vorübergehend geschafft, obwohl das seit den 1870er-Jahren immer wieder gefordert wurde.

Der Aufschwung der Wissenschaften im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts hatte einen großen Einfluss darauf, welche Fächer gelehrt wurden. "Mit ihren Erkenntnissen kam im 19. und 20. Jahrhundert neues Wissen in die Schule", wird Lucien Criblez, Gesamtleiter des Projekts, in der Mitteilung zitiert. 

Stabile Fächerliste

In den 1970er-Jahren kam es wieder zu substanziellen Veränderungen, da sich zwischen 1960 und 1980 die Bezüge zur Wissenschaft erneut verstärkten, vor allem durch neue Sozialwissenschaften wie Erziehungs- wissenschaft und Psychologie.

Dadurch veränderten sich auch die Akteure, die Einfluss auf die Lehrpläne nehmen konnten: Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten Lehrerverbände, Seminardirektoren und Schulinspektoren das Sagen gehabt. Ab den 1970er-Jahren nahm der Einfluss von wissenschaftlichen Experten auf die Schulinhalte zu, wie die Studie zeigt.

An der Forschung waren rund 25 Forschende der Universitäten Genf und Zürich und der Pädagogischen Hochschulen der Fachhochschulen Nordwestschweiz, Zürich und Tessin beteiligt. (APA, 19.1.2017)


Nota. - Die Schweiz war früher ein armes Land. Da haben sie sich angewöhnt, auf Rappen und Fränkli zu achten, und dem sind sie bis heute treu geblieben. Aber wie war das mit Preußen-Deutschland? Wir waren dagegen der Hort des weltweit bewunderten Deutschen Idealismus; war die Entwicklung der Schulen bei uns womöglich weniger materiell geprägt? 

Als bei uns die Wehrpflicht abgeschafft wurde, wurde das Turnen an den Schulen jedenfalls nicht gleich mitgestrichen. Es wird vielmehr überall für eine Ausweitung der Leibesübuingen plädiert, in Österreich plant man gar eine tägliche Turnstunde. Nicht aus wirtschaftlichen Erwäungen, sondern für das Wohl unserer Kleinen; und vielleicht auch ein klein bisschen, um die Krankenkassen zu entlasten... 
JE


Mittwoch, 4. Januar 2017

Wer will schon Männer als Kindergärtner?

kirche-ist
aus Die Presse, Wien,

„Ein Mann mit Kind wird oft als Täter gesehen“
Forscher Bernhard J. Koch über die „Hausfrauenkultur im Kindergarten“ und männliche Pädagogen als „Magnete auf zwei Beinen“.

Interview von 

Die Presse: Derzeit sind unter den Kindergartenpädagogen weniger als zwei Prozent männlich. Wann werden es 20 Prozent sein?

Bernhard J. Koch: In Norwegen hat man vor 20 Jahren begonnen, Maßnahmen zur Erhöhung des Männeranteils zu setzen. Man wollte 20 Prozent erreichen. Heute sind es zehn. Insofern glaube ich ehrlich gesagt nicht daran, dass der Männeranteil in Kindergärten einmal so hoch wie der Frauenanteil in Führungspositionen sein wird.

Ist das Interesse zu gering?

Studien zeigten, dass sich 20 bis 25 Prozent der männlichen Schüler einen solchen Beruf grundsätzlich vorstellen könnten. Es gibt Potenzial – auch wenn das Interesse der Mädchen freilich viel höher ist.

Weshalb verlieren vorerst interessierte Männer das Interesse?

Die niedrige Bezahlung ist ein Argument – aber nicht das Hauptargument. Es gibt auch viele schlecht bezahlte Männerberufe. Der geringe Männeranteil hat auch damit zu tun, dass der Kindergarten stets von Frauen geprägt wurde. Das sieht man an der Erziehung, an der Einrichtung, am Spielzeug. Manchmal wurde eine Art Hausfrauenkultur in den Kindergarten mitgenommen. Der Kindergarten wurde als Ersatz für das mütterliche Heim gesehen. Davon entfernen sich viele Kindergärten. Aber nicht alle. Grundsätzlich gilt, dass ein Kindergarten, der männliche Symbole hat, für Männer attraktiver ist.

Werden Männer auch von dem vorherrschenden gesellschaftlichen Bild abgeschreckt?

In unseren Köpfen hat Erziehung stark mit Frauen zu tun. Ein Mann mit Kind wird häufig als Täter und gefährliche Person gesehen. Dieses Bild hat Auswirkungen darauf, ob ich mich als Mann für einen derartigen Beruf entscheide.

Es ist wohl nicht hilfreich, dass der Ausbildungsweg in Richtung Kindergarten schon mit 14 Jahren eingeschlagen werden muss.

Für junge Burschen ist das zu früh. Der Männeranteil im Kolleg, in dem Erwachsene zu Kindergartenpädagogen ausgebildet werden, ist deutlich höher. Er liegt bei zehn, in den Bakip-Schulen bei vier Prozent.

Sind Kindergartenpädagoginnen männlichen Kollegen gegenüber aufgeschlossen?

Kindergartenleiterinnen wünschen sich der Studie zufolge fast immer mehr Männer. Aber 40 Prozent sahen Vorbehalte des weiblichen Personals. Manche haben Angst, dass Männer die Arbeitsweise auf den Kopf stellen und dass sie ihnen Führungspositionen wegnehmen.

Wie kann man mehr Männer in diesen Beruf bringen?

So wie es Frauenförderpläne in technischen Berufen gibt, so brauchen wir Männerförderpläne in erzieherischen Berufen. Ein Männeranteil von zehn Prozent könnte das Ziel sein. Dann müssten Kampagnen, die ein positives Bild von Männern mit Kind vermitteln, starten. Außerdem könnte man ein Stipendiensystem für Männer installieren, wie es dieses an Unis für Frauen bereits gibt.

Finanzielle Anreize sind unter den Frauen wohl wenig beliebt.

Stimmt. Aber ich sage: Entweder Förderung für beide Geschlechter in den jeweils unterrepräsentierten Gebieten oder keine. Mit dieser Ansicht bin ich aber recht allein.

Warum braucht es eigentlich männliche Kindergärtner?

Für einen höheren Männeranteil spricht erstens die Gleichstellung. Zweitens glauben wir, dass Männer und Frauen unterschiedlich sind. Männer trauen Kindern mehr zu, sie haben eine andere Haltung zum Thema Risiko usw. und vielleicht auch ein größeres technisches Interesse. Das würde auch zu einer höheren Vielfalt bei den Neigungen und Fähigkeiten der Kinder führen.

Wäre das besonders für Buben wichtig?

Es ist für beide Geschlechter wichtig. Aber unsere Studien haben schon gezeigt, dass insbesondere Buben die männlichen Pädagogen suchen. Möglicherweise auch deshalb, weil es im familiären Umfeld eine Absenz von Männern gibt. In früheren Studien sind Männer deshalb als Magnet auf zwei Beinen bezeichnet worden. Die anfängliche Begeisterung wird mit der Zeit natürlich zur Normalität.


Nota. - Männer? Äh - ja natürlich!
Aber bitte keine männlichen Männer. Sie sollten schon ein bisschen so sein wie wir.
JE