In den Jahren 2000-2005 verfolgten die Freunde des Landschulheims Fürstlich Drehna e.V. den
Plan einer musisch-ästhetischen Bildungsstätte in einem
spätmittelalterlichen Wasserschloß in der südbrandenburgischen
Niederlausitz. Aber der Schloßeigentümer zog
schließlich einen Hotelbetrieb vor. Wie vorhergesagt, ging das Hotel
pleite. Was wird nun aus dem Schloss? Das Innere ist durch den Umbau -
z. B. einen Fahrstuhlschacht - verschandelt und es dürfte schwerfallen,
eine neue Nutzung zu finden. Für das geplante Landschulheim ist es
jedenfalls zu spät.
Die folgende Programmskizze erschien erstmals in PÄDForum Heft 6/2001
Genie
ist das Vermögen der Hervorbringung desjenigen, was nicht gelernet
werden kann. Eine Produktion ohne Genie ist Arbeit. Genie erfordert
Begeisterung, die Arbeit Disposition.
Immanuel Kant
Immanuel Kant
Die Schule ist dieser Tage wieder im Gerede wie seit den frühen Siebzigern nicht mehr. Doch während damals ein jeder es noch ein bißchen besser wußte als die andern, erklingt heut nur lautes Kopfkratzen – im Angesicht des Einbruchs der Neuen Medien bis tief in die pädagogische Provinz. „Schule muß sich ändern!“ Aber wie? Hört man genauer hin, dann klingt Anders verdächtig nach Mehr desselben – so als ob mit dem Computer ein neues Pensum Einzug hielte in die Klassenzimmer. Und natürlich braucht man neue Fachleute…
Aber hieß es nicht eben noch, die Curricula wären ohnehin schon überladen? Ist es nicht längst so, daß gut beratene Schüler das, was sie gerade für die Klassenarbeit gelernt haben, schon am nächsten Tag vergessen, um Platz für das nächste Dreitage-wissen zu schaffen? Die positiven Kenntnisse von heut hat der wissenschaftliche Fortschritt womöglich schon überholt, ehe sie noch abgefragt werden konnten. Weniger davon wär heute mehr. (Abgebaut werden stattdessen Kunst und Musik.)
Und immer lauter wird der Ruf, die Schule solle „wieder Werte vermitteln“! Die seit den Sechzigern schleichende Sozialpädagogisierung der Schule – „lernen, wie wir miteinander umgehen“ – ist gottlob gescheitert. Jetzt soll sie den Kindern wieder Moral beibringen, als ein weiteres Fach, das man „können“ muß.
Wie ist das alles zu bewältigen? „Ganztags“? Wenn das mal reicht! Die Lernschule platzt buchstäblich aus ihren Nähten.
Lernen
Dabei liegt ihr scheinbar endgültiger Sieg noch gar nicht so lange zurück. Es war die demokratische Schulreform der sechziger Jahre, die an die Stelle des ideologieverdächtigen „Bildungs“-Prinzip den pragmatischen Begriff des Lernens setzte. In Verruf war Bildung schon seit Nietzsches tödlichem Wort vom Bildungsphilister, der Güter und Werte aneinanderreiht wie Sammeltassen im Vertiko. Doch in einem ebenso pluralistischen wie individualistischen Gemeinwesen, das keine Instanz mehr kennt, die oberste Werte und ein gültiges Menschenbild festlegt, wurde sie vollends anachronistisch.
Bildung wozu wohl auch? War denn nicht das „humanistische Menschenbild“ der deutschen Klassik selbst noch in Margot Honeckers allseits entwickeltem sozialistischen Menschen wieder zu erkennen – und gar erst im Erziehungsideal des Nationalsozialismus, das schließlich aus der deutschen Jugendbewegung herkam! Der mündige Bürger war gut beraten, sich solch schillernden Humbug vom Hals zu halten. Dagegen klang lernen nüchtern und bescheiden – Informationen seligieren, speichern und verarbeiten, prosaisch und ohne Pomp. Und es war jedem zugänglich, unabhängig von der Gnade vornehmer Geburt.
Nun hat es die Lernpsychologie dank Motivations- und Kommunikationsforschung inzwischen zu großer Subtilität gebracht. Ihre delikaten Distinktionen erreichen einen Abstraktionsgrad, der alles und… nichts auszusagen erlaubt. Daneben steht aber der Siegeszug der Vokabel „lernen“ durch unsere Alltagssprache. Und hier wie sonst ist es eher so, daß die umgangssprachliche Bedeutung immer wieder, trotz aller definitorischen Vorsicht, auf das wissenschaftliche Denken übergreift, als umgekehrt. Und welchen Vorgang stellt sich das Alltagsbewußtsein unter „lernen“ vor? Es ist dieses Bild: „Innen“ ist ein weißer Fleck; das Lernziel ist „außen“; lernen heißt, etwas von außen nach innen bringen: Information, Erfahrung, Kompetenz – dorthin, wo vorher der weiße Fleck war. Ob nun gelernt oder gelehrt wird, der Vorgang selbst ist in jedem Fall derselbe: von außen nach innen. Die Person wird gefüllt – weil sie ursprünglich leer war.
Ihre Haltung zur Welt heißt Aneignen, ihre Energie ist reinziehen: den Mangel auf-füllen. „Defizit“ paßt zu „lernen“ wie die Faust aufs Auge, und so wurden sie gemeinsam zum Generalschlüssel der Pädagogik. Dahinter steht folgende Idee: Die ‚Grenzen’ der Person – da wo sie anfängt und da, wo sie aufhört – stehen fest. Es ist ein statisches Menschenbild. Nur innerhalb der Grenzen gibt es Mehr oder Weniger. Bildung ist ein Anfüllen mit Dingen-für-mich. Identität ist eine Summe von Kompensationen. Das paßt auch gut zum politischen Gleichheitsdogma dieser Zeit: Als Tabula rasa waren wir ursprünglich alle gleich, nämlich „Bedürfnis“; persönliche Eigenart ist nur angelernt. Defizite werden kompensiert, und Pädagogik ist die – ihrerseits lernbare – Technologie des Lernens. Es ist das Menschenbild des Sachbearbeiters.
Legen wir stattdessen ein dynamisches Menschenbild zugrunde, dann wird „Identität“ nicht „gelernt“, sondern die Person bildet sich – in einem Wachstumsvorgang: von innen nach außen. Sie dehnt gewissermaßen ihre Grenzen „in die Welt hinein“ aus. Nicht, weil sie in sich eine Leere fühlt, die sie füllen muß, sondern einen Drang, dem es innen zu eng ist. Sie will „aus sich heraus“. Also ‚bilden’ ist nicht das Füllen eines Maßes durch fremden Stoff; sondern ein Streben, das Überschießen einer Überfülle über die ‚Grenzen’ des Selbst hinweg. ‚Etwas’ will in die Welt hinaus – um dort erst auf sich ‚selbst’ zu stoßen: weil es sich drinnen nicht zeigen konnte. Expansion wär gar nicht das rechte Wort – weil die ‚Grenzen’ nicht so sehr gedehnt oder geweitet, als vielmehr überschritten werden; immer bis zu dem Punkt, wo ‚die Welt’ sich zu einer neuen Schranke zusammenrafft und das Selbst auf sich zurück treibt. Es ist eine Ek-stasis vielmehr als eine Weitung, und Pädagogik ist die Kunst des Herauslockens. So ist das Menschenbild des Unternehmers.
Welches Menschenbild nun aber das „richtige“ wäre, ist keine Frage, die sich theoretisch durch so und so akribische Forschung – etwa in der DNA? – ‚entscheiden’ läßt. Es geht hier gar nicht um Erkenntnis dessen, was ist. Sondern es geht um die Optik – um das, was gelten soll, nämlich weil es einem „darauf ankommt“. Weil man so und nicht anders sehen will. Ob wir das Heranwachsen, das Erwachsen der Personen als Lernprozeß oder Wachstumsvorgang ansehen wollen, ist keine theoretische, sondern, im philosophischen Schuljargon, eine „praktische“ Frage – eine, die „durch Freiheit möglich“ ist. Es ist eine Sache der freien Wahl.
Der Spezialist
Und war der Aufstieg von „lernen“ zum pädagogischen Schlüsselwort das Ergebnis einer freien Wahl? Etwa so, daß sich die versammelte Erziehungswissenschaft nach sorgfältiger Prüfung der Gründe auf diesen Schluß verständigt hätte? Mitnichten. Das Wort hat sich aus der Umgangssprache in den pädagogischen Diskurs begriffslos eingeschlichen und ist dank seiner Schlüpfrigkeit überall durchgesickert. Wir haben es nicht gewählt, sondern haben es uns zugezogen. Seine Karriere verdankt es dem Umstand, daß es so nahtlos in das „Menschenbild“ paßte, das sich – nachdem die Ideologien zur Vordertür hinausgetrieben waren – unbemerkt durch die Hintertür hereingeschlichen hatte: der Spezialist, der Sach-Bearbeiter! Es kommt nicht aus der Pädagogik, sondern aus dem Arbeitsmarkt, welchem zu dienen sich jene seit den sechziger Jahren weise beschied. Der Spezialist ist einer, der „sein Fach beherrscht“. Wie? Durch das geordnete Anhäufen von Informationen, Schritt für Schritt, immer schön der Reihe nach die Wissenslücken kompensierend: durch „lernen“. Doch alle Fächer beherrschen, das soll keiner wollen: dafür ist die Welt zu komplex. Und wozu hätten wir sonst auch all die spezialisierten „Vermittler“ in unsern öffentlichen und gewerblichen Verwaltungen? Und, nicht zu vergessen: in unseren Schulen!
Das Gesellschaftsmodell, das dem Lern-Theoretiker vorschwebt, ist die Technokratie. Das ist ein Denken in Linien und Fächern. Es überträgt die analytische Arbeitsteilung in der mechanisierten Fabrik mit all ihren Abteilungen, Hierarchien und Fließbändern auf den gesamten Lebenszusammenhang der Menschen. Es ist die Quintessenz der Industriegesellschaft – wo es auf die ausführenden Tätigkeiten ankam, weil nämlich die Zwecke, qua Mangel, sich von selbst verstanden. Nützliche Tätigkeit war typischerweise Lohnarbeit. Und gestaltendes Entwerfen mußte dem „Bedürfnis“ folgen – oder war eitler Luxus der Schönen und Reichen.
Doch die Spatzen pfeifen es von den Dächern: die industrielle Zivilisation stirbt ab, und in ihr die Arbeitsgesellschaft, deren Quintessenz sie war. „In dem Maße, wie die große Industrie sich entwickelt, wird die Schöpfung des wirklichen Reichtums abhängig weniger von dem Quantum angewandter Arbeit als von der Macht der Agentien, die selbst wieder abhängen vom allgemeinen Stand der Wissenschaft und dem Fortschritt der Technologie“, hieß es bei Karl Marx. Die ausführenden Tätigkeiten erledigt zu-sehends die intelligente Maschine. Im Zeitalter der Cyberworld heißt das Paradigma nicht länger: zerlegen, messen und anwenden, sondern: entwerfen und vorzeigen – und zusehn, ob’s sich behauptet. Nicht einmal das Vermitteln ist noch ein besonderes Fach, jeder muß es selbst besorgen – und kann es: online. Der Arbeitsmarkt kann Leute, die lediglich was gelernt haben, immer weniger brauchen, denn „lernen“ kann der Computer selber! Zwei Jahrhunderte Industriekultur erweisen sich heute als europäischer Standortnachteil: Ein Inder steht dem Computer unbefangener gegenüber als ein Deutscher und nimmt demnächst seinen Platz ein – weil seine Lehrer ihn nicht auf „lernen“ spezialisiert haben.
Bildung
Es war von Anfang an der Wurm drin. Denn unter lernen war zwanglos immer auch gelehrtwerden zu verstehen, und wenn es gleich in pädagogischen Seminaren anders „gelernt“ wird, ist es regelmäßig dieser Sinn, der im Schulalltag durchschlägt. Lernen war das Paßwort der pädagogischen Landnahme nach ’68. Bildung kommt dagegen immer von ‚ich bilde mich’, denn bei ‚ich werde gebildet’ sträuben sich Herzfalten und Hirnwindungen gleichermaßen.
Die ideologiekritische Austreibung der Bildung Ende der Sechziger erweist sich heute als voreilig. Auf die Bürgschaft einer obersten Instanz ist sie nämlich gar nicht angewie-sen, ganz im Gegenteil. Der Mensch ist ein Kulturwesen. Neben seiner ersten, physiologischen, hat er eine zweite, historische und selbstgemachte Natur. Oder richtiger: Da er Kulturwesen ist, hat er auch seine erste Natur nur als Kulturgeschöpf. Kultur (von lat. colere: anbauen & pflegen; eigtl. aufsammeln) ist die Akkumulation von Werten aller Art. Eine Ansammlung von Reichtümern, die vererbt, das heißt aufgehäuft und von jeder Generation vermehrt, aber auch neu gesichtet werden. Die Auslese und Ansammlung der gelten-sollenden Werte macht sich indes nicht von allein. Es sind immer Personen, die da auslesen und anhäufen. Sie sind selber eine Auslese, eine Elite, die den Reichtum repräsentiert und in kultureller Hinsicht ‚vorherrscht’. Solche Bildung ist nicht persönlich, sondern kollektiv. Sie ist exklusiv und nicht liberal; es ist Kastenbildung. So war es immer und überall – bis im Abendland, und nur da, die Moderne anbrach. In der bürgerlichen Gesellschaft stehen Eliten miteinander in Konkurrenz, sie „zirkulieren“, und der Sinn demokratischer Verfassung ist es, die Zirkulation in Fluß zu halten.
Worin kultureller Reichtum besteht, wird nun aber ebenso strittig wie die Frage, wer ihn repräsentieren und also „vorherrschen“ darf. Selbstverständlichkeit kennzeichnet jedenfalls nicht den Reichtum abendländischer Kultur, sondern die Fülle ihrer Werte.
Sie müssen auch nicht von oben verbürgt sein, nur gelten müssen sie können, wenn auch problematisch – das heißt konkurrierend mit anderen. Die reichste Kultur ist eine solche, wo die Anordnung, die Umordnung der Werte prozessierend immer wieder neu geschieht – im Meinungskampf der Öffentlichkeit. Es ist die Problematizität ihrer kon-kurrierenden Werte, die dieser Kultur ihre Spannung verleiht und dem Einzelnen die eigne Wahl, nämlich eine persönliche Bildung zumutet. Das gibt es nur im Abendland, und darum ist die öffentliche Schule eine abendländische Errungenschaft. Ihre Sache ist es, das kulturelle Erbe an die nachwachsende Generation weiterzureichen und die Schüler zur Wahl zu ermächtigen. Und zwar, seit die Schulpflicht allgemein ist und der Staat demokratisch.
Schule
Ausbildung für den Arbeitsmarkt ist ihr erst in neuerer Zeit als Pensum zugewachsen, mit der Industrialisierung und ihren verallgemeinerten Qualifikationsstandards. Die Schule hörte auf, Zuchtstätte der herrschenden Klassen zu sein, und wurde allgemeine Dienstleistungsindustrie für den Arbeitsmarkt: vergesellschaftete Produktion des Arbeitsvermögens; aus Heranwachsen wurde Sozialisation. Seither drängte die Realschule das Gymnasium in die Defensive, und schließlich trat Lernen an die Stelle von Bildung – es wertet den Gegenstand ab und die Lehrer auf. Der Normalmensch wurde Spezialist, und wer sich nicht auf ein „Fach“ festlegte, war ein Dilettant.
Gestritten wurde höchstens, ob die Spezialisierung schon in der Schule oder „erst“ auf der Universität einsetzen solle. Doch hat sich die propagierte Verwissenschaftlichung der Schule im letzten Jahrhundertdrittel als die flach-selbstverständliche Subsumtion aller möglichen Wissensgehalte unters Prinzip der Verwertbarkeit erwiesen. Deutschunterricht wird längst so erteilt, als ginge es um die Ausbildung neuer Deutschlehrer. Griechisch und Latein sind ganz entfallen; wer will denn heut schon noch Altphilologe werden? Von Humanismus am Gymnasium keine Spur; es ist selbst nur noch eine große Realschule.
Daß sie aber die Schüler auf die Realitäten des Arbeitslebens vorbereitet – von Wirt-schaft bis Wissenschaft -, kann man nicht eben sagen. Immer weniger läßt sich im Zeit-alter globaler Vernetzung das Leben in „Fächer“ einteilen. Mobilität ist gefragt, mentale zuerst: „lebenslanges Lernen“ statt „einen Beruf wählen“! Gefragt ist inzwischen ein Typus, der schon fast ausgestorben war, eben der Unternehmer – einer, dem (mit Karl Marx zu reden) „am Gewinnen noch mehr gelegen ist als am Gewinn“. Und der hat mit einem Künstler mehr gemein als mit einem Buchhalter: „Die Eingebung spielt auf dem Gebiet der Wissenschaft durchaus keine größere Rolle als bei der Bewältigung von Problemen des praktischen Lebens durch einen modernen Unternehmer, und sie spielt andererseits keine geringere Rolle als auf dem Gebiet der Kunst“, meinte ein so kühler Kopf wie Max Weber, als gerademal das Grammophon erfunden war. Heute, in der Epoche von Künstlicher Intelligenz, Virtual reality und Internet wirkt der Spezialist eher wie ein Mehrfachbehinderter. Die positiven Kenntnisse, die man in der Schule lernen kann, haben eine Halbwertszeit von wenigen Wochen. Den Menschen in seiner Jugend mit einem Fundus an Wissen ausstatten zu wollen, der ihm fürs ganze Leben reicht, ist heute weltfremder denn je, und noch nie konnte man das, was man im Unterricht lernt, im Leben so wenig brauchen! Aus rein pragmatischen Gründen wird sich eine moderne Schule daher ihrer eigensten Aufgabe besinnen: Bildung.
Den Reichtum schätzen
Die betrifft den „ganzen Menschen“ und nicht diesen oder jenen Beruf, und sie hat, wie schon im Wort anklingt, mit Kunst mehr zu tun als mit Lernen. Die Überlegungen zur Schule der Zukunft müssen davon ausgehen, daß alles, was es zu lernen gibt, früher oder später auch der Computer lernt. Nur Sinndeutung und Urteilskraft, die bleiben den Menschen vorbehalten, die sich seiner bedienen – und umso nötiger werden sie. Beide kommen, als „Eingebung“, aus dem Erleben her und können nicht gelernt werden. Es ist das Reich von Ästhetik und Ethik – da, wo man sich begeistern kann. Beide sind nach Ludwig Wittgenstein „eins“, und in beiden ist jedeskind sowieso zu Haus. Es sind spontane Vermögen, die man allerdings bilden und verbilden kann, ermutigen und verschüchtern, wecken und ermüden, aufreizen und zu Tode langweilen.
Ausgerechnet derselbe J. Fr. Herbart, der später als Erfinder der Lernschule zum Buhmann aller Reformpädagogen wurde, hatte als „das Hauptgeschäft“ der Erziehung „die ästhetische Darstellung der Welt“ ausgemacht. Er hat als erster unternommen, die Pädagogik als eine systematische Wissenschaft zu begründen; aber nicht auf Tatsachen, sondern in einer Aufgabe – nämlich Moralität. Die verstand er wiederum als ein Teilgebiet der Ästhetik und definierte sie rundweg als „sittlichen Geschmack“.
Ästhetik und Ethik unterscheidet zunächst, daß die eine als bloße Betrachtung sich selbst genügt; während die andere in mir wirken will. Doch das ästhetische Erleben bietet unmittelbar nur einzelne Anschauungen. Der Geschmack entsteht, wo die vielen Anschauungen sich zu einem Bild formieren. Zu einem Bild der Welt zuerst, aber darinnen: das Bild von mir. Da trete ich gewissermaßen aus mir heraus, um mich anzusehen – und nichts andres heißt sich bilden. Denn das Bild, das ich mir von mir selber mache, ist der stets gewärtige Kanon, an dem mein momentaner Zustand „sich misst“.
Ob sich einer nun lieber als Sachbearbeiter oder lieber als Unternehmer sehen mag, steht nicht in der Macht des Pädagogen. Er kann seinen Zögling nicht einmal wirklich veranlassen, daß er sich „ein Bild macht“. Doch wenn er gut ist, kann er ihn vielleicht dazu verlocken – indem er ihm den Reichtum zeigt, der ihn anlacht und sagt „Nimm mich und behalte mich“, und das wär eine Kunst. (Dem Unternehmer lacht er freilich schöner als dem Sachbearbeiter.) Wie man einen Computer so bedient, daß er die gespeicherten Informationen verrechnet und für Entscheidungen zubereitet, können Kreti und Plethi lehren. Aber die Schule muß den Kindern unsern kulturellen Reichtum zeigen. Er ist nicht vom Baum gefallen, und darum soll sie ihn auch preisen. Wenn sie das nicht kann, ist sie veraltet. Gebildet ist eben nicht, wer Informationen speichert, sondern einer, der den Reichtum zu schätzen weiß. Das ist aber eine qualitative Bestimmung und läßt sich nicht messen (und benoten), sondern muß sich gegebenenfalls behaupten. Behaupten, wie das? Im Wettstreit der Kulturen, wie sonst!
Der öffentliche Dienst ist dafür allerdings nicht der am besten geeignete Ort, und staatlich besoldete Lehrer sind nicht die am besten geeigneten Protagonisten.
Kunst & Arbeit
Als das ausgezeichnete Terrain ästhetischer Bildung erscheint zunächst die Kunst. Aber nicht nur die mit dem ganz großen K. Zu unterscheiden ist nicht, altväterisch, zwischen ernster und unterhaltender, sondern, modern, zwischen guter und schlechter Kunst. Kunst, die nicht unterhält, sei langweilig und also schlecht, fand Rolf Liebermann. Große Kunst ist im ernsten Genre so selten wie im unterhaltenden – nur wird im letzteren auch alles andere noch vermarktet, so daß es jeder merkt. Andererseits ist auch große Komik voller Ernst; wenn auch nicht ganz. Kunst ist weniger – positiv – bestimmt durch das, was sie ist, als – negativ – durch das, was sie nicht ist; durch ihren bestimmten Gegensatz: Kunst ist nicht Ökonomie. Sie verhalten sich zu einander wie das Spiel zur Arbeit und die Notdurft zum Überfluß. Oder so: Künstler und Arbeiter unterscheiden sich durch ihre andere Haltung zur Welt und den Dingen.
Jedenfalls, solange das Leben vom Mangel geprägt war: in der Arbeitsgesellschaft. Arbeit war Produktion nach gesetzten Zwecken, Kunst produzierte nach ihrem eigenen Gesetz. Mit dem vielbeschworenen Ende der Arbeitsgesellschaft tritt dieser Gegensatz nun in die Ökonomie selbst hinein. Kunst ist wohl noch immer nicht Ökonomie. Aber in die Ökonomie gelangt immer mehr Kunst. Auf dem Markt behauptet sich das Überflüssige so gut wie das Notwendige. Und so folgt die Arbeit nicht mehr nur den vorgefundenen Bedürfnissen und bewährten Zwecken, sondern produziert selber das Bedürfnis. Während die ausführenden Griffe immer mehr von den Maschinen besorgt werden, wird der lebende Arbeiter immer mehr Künstler (und wird Arbeit im herkömmlichen Sinn zusehends überflüssig).
Das erscheint nirgends so deutlich wie an den Neuen Medien. Kunst drängte stets nach neuen Möglichkeiten der Darstellung, weil die anderen Formen den „Stoff“ erweitern. Doch ist die Affinität beiderseitig; denn der künstlerische Zugang ist dem Computer adäquater als der rechnerische. Er ist nicht bloß Arbeitsmittel, sondern selbst ein kom-plexes Kunstwerk. Eine allgemeine ästhetische Bildung bereitet seither nicht nur auf ein Leben als Berufskünstler vor, sondern auf alle Unternehmungen, bei denen es ums Entwerfen und Gestalten geht; aber die werden immer mehr. Noch nie war es so nützlich, unsere Reichtümer zu schätzen! Und noch nie waren sie so vielen Menschen zugänglich: Es ist, als brächte erst Cyberworld den Standort Europa zu seiner rechten Geltung.
Ein ästhetischer Lebens- und Bildungsort
Ästhetische Bildung formt nicht nur – was Herbart interessierte – den moralischen Charakter, sondern bereitet – was die Eltern interessiert – auf den Arbeitsmarkt von morgen vor. Und schließlich rettet sie manch lebhaften Geist, der in der herkömmlichen Lernschule sinnlos vergeudet würde: Kinder mit starkem ästhetischem Erleben und darstellerischem Drang leiden heftiger als ihre Altersgenossen unter der erzwungenen Passivität, dem gelenkten Rezipieren, dem unanschaulichen Stoff. Sie langweilen sich und stören. Wird ihre Eigenart nicht beizeiten erkannt und anerkannt, bleiben nicht nur Talente brach liegen – es werden gar Problemschüler herangezogen. Sie werden „auffällig“, und was einmal ihre Stärke war, kommt nachher nur „kompensatorisch“ in Betracht, als mildernder Umstand und Anlaß für therapeutische Tricks.
Der Übergang aus der Arbeitsgesellschaft ins mediale Zeitalter mutet (nicht nur) der Pädagogik mal wieder einen Paradigmenwechsel zu. Aber der wurde noch nie rein literarisch zu Wege gebracht. Er bedarf eines Schrittmachers, der der neuen Richtung Bahn bricht. Dabei muß das Rad nicht noch einmal erfunden werden. Manch alte, außer Kurs geratene Weisheit kommt im neuen Licht wieder zu Glanz. Etwa die Einsicht, daß das Wesentliche den Kindern nicht beigebracht werden kann, weil sie es selber mitbringen, daß man es vielmehr erhalten und pflegen muß, damit es nicht verloren geht, ist schon seit hundert Jahren die tragende Idee der Landschulheim -Bewegung. Kurt Hahn, der Gründer der Schulen in Salem und Gordonstoun, nannte dies seine „wichtigste Entdeckung“: daß es möglich sei, „die Kinderkraft zu erhalten, ungebrochen und unverdünnt, den unbesiegbaren Lebensmut, das Mitgefühl, die lebhafte Neugierde, die Bewegungsfreude – all diese Schätze der Kindheit“. Er wollte eine Pädagogik, die „Leidenschaften entzündet und nährt: die Lust am Bauen, die Sehnsucht nach der Bewährung im Ernstfall, auch in der Gefahr, den Forschungstrieb, die Seligkeit des musischen Schaffens, die Freude an der Kunstfertigkeit, die Sorgfalt und siegreiche Geduld erfordert“. Bildung wird erlebt und nicht erlernt. Im Ernst: Räuberspielen im Wald und auf dem Dachboden ist zuerst ein ästhetisches Erleben, und erst danach Erholung oder Erwerb von Sozialtechniken.
Ästhetische Bildung ist nicht eine Sache von ein paar Unterrichtseinheiten hier, ein paar Unterrichtseinheiten dort. Längst wurde der Alltag – und zwar dank der Neuen Medien – von einer unterschwelligen Ästhetisierung aller Lebensbereiche ergriffen. Was man auch tut – Bilder und Klänge sind dabei schon immer „mit angefallen“. Aber heute werden diese Nebenprodukte mit Absicht hergestellt: „Alles ist Design“. Will sagen, es wird nach Schönheit produziert – aber nicht um der Schönheit willen, sondern um die Sachen an den Mann zu bringen. Nützlichkeit ist schon lange nicht mehr der einzige Wertmaßstab für Dinge und Gedanken; „wie es wirkt“, darauf kommt’s genauso an.
Kunst imprägniert die sachlichen Bedürfnisse und die Weltwahrnehmung selbst: Es war die ästhetische Gewalt der Bilder, die Karl-Heinz Stockhausen veranlaßt hat, das berstende World Trade Center für ein Kunstwerk zu halten. Aber das war ein kluger Irrtum! Wo verläuft denn heute noch die Grenze zwischen Kunst und Wirklichkeit? Im Alltag und im alltäglichen Spiel mit den Neuen Medien müssen sich junge Leute unterm ästhetischen Trommelfeuer ein Bild machen von der Welt. Wo die Kunst endet und der schöne Schein selber Wirklichkeit wird, läßt sich nicht im Begriff vorab ermessen, sondern wird – bestenfalls – aktual in der Anschauung immer wieder neu „erkannt“. Darum kann ästhetische Bildung heute weniger denn je dem Sachlernen wahlweise hintan gestellt werden: Sie liegt ihm, so oder so, zu Grunde. Die Frage ist immer nur, ob ich mich selber bilde oder mich habe bilden lassen. Anschauung ist ein produktives Vermögen, kein rezeptives. Aber als ein solches will sie angefacht und unterhalten sein.
Schloß Fürstlich Drehna
Das ist ein hoher pädagogischer Anspruch, der mit fertigen Rezepten nicht zu erledigen sein wird, und bestimmt nicht mit ein paar zusätzlichen Schulstunden. Ästhetische Erlebensgehalte lassen sich nicht didaktisch operationalisieren. Wohl sind die schönen Künste das spezifische Feld ästhetischer Produktion, und darum werden Musik und Bildende Kunst im Landschulheim Fürstlich Drehna auch einen bevorzugten Platz einnehmen. Aber sie beginnen eben erst jenseits des sachlichen Lernens. Die ästheti-sche Bildung eines Menschen beginnt diesseits davon – anschaulich, unspezifisch und unbemerkt, und ist, wie auch die Neuen Medien, den einzelnen Fächern ‚vorgelagert’. Das heißt, beide fallen nicht in den Rahmen herkömmlichen Schulunterrichts.
Das Landschulheim Fürstlich Drehna ist darum nicht in erster Linie eine Schule. Es ist ein Lebensort, an dem man sich anschaulich bilden kann. Und dies zumal, wenn der gemeinsame Alltag von Jüngeren und Älteren belebt und angestachelt wird vom leiden-schaftliche Ästhetizismus des Kindesalters, in dem das Gute und das Schöne ohnehin „eins“ und unmittelbar gegeben sind. Das Reich des Ästhetischen entsteht nämlich aus dem Spiel, nicht aus Arbeit und Eifer (studium), und darum ist das Landschulheim auch kein Produktionskollektiv, sondern eine Erlebnisgemeinschaft. Die eint kein strenger Zweck, sondern ein weiter Horizont.
Das Bauensemble um das spätmittelalterliche Wasserschloß im brandenburgischen Fürstlich Drehna bei Luckau mit seinem ritterlich-romantischen Charakter bietet dafür den idealen Rahmen. Die natürlichen Reize der Lausitzer Heidelandschaft auf der einen, und die ökologischen Abenteuer der renaturierten Braunkohle-Gruben (mit einem 215 ha großen See) auf der andern Seite werden hier verbunden durch einen Landschaftspark aus der Schule von Lenné. Das vierflüglige Schloß selbst wurde vermutlich im 13. Jahrhundert auf einem slawischen Burgwall errichtet und erhielt seine heutige Gestalt im 15. und 16. Jahrhundert. Im Südflügel und den Erdgeschossen ist die gotische Bausubstanz noch gut erkennbar. In wechselvoller Feudalgeschichte wurde die Burganlage im Innern immer wieder umgebaut. Das Schloß ist verwinkelt und verzwickt und überrascht das Auge stets aufs neue. 125 Schüler von zehn bis achtzehn Jahren können hier ein zweites Zuhause finden. Wobei eine besondere Beachtung den unteren Klassen gelten wird – weil nämlich Häuslichkeit bei den Kleinen, die sich mit ihrer „Kinderkraft“ dort erst noch einrichten wollen, besser gedeiht als bei den Abiturienten, die sich schon auf den Absprung vorbereiten.
Das wird auch in der Anordnung der Wohnräume deutlich. Während die Klassen 5 bis 8 Gemeinschaftszimmer rund um den Burghof bewohnen, wo sich der gesellige Verkehr abspielt, verfügen die Schüler der Klassen 9 bis 11 über Einzelzimmer im barocken „Amtshaus“ jenseits des Burggrabens. Die Abiturklasse hingegen kann in der ehemaligen Schmiede ihren eigenen Hausstand gründen und andere Horizonte ins Auge fassen. Der Unterricht findet in den angrenzenden Wirtschaftsgebäuden des Gutshofs aus dem 19. Jahrhundert statt. Es sind rund ein Dutzend Lehrerwohnungen vorgesehen. Die Schule wird privat geführt und im wesentlichen aus den Eigenbeiträgen der Eltern finanziert.
Neue Medien
Zwar werden Experimente mit der Stundentafel im Landschulheim Fürstlich Drehna nicht im Vordergrund stehen. Und doch wollen wir auch didaktisch innovativ sein, indem wir den Zugang zu den Neuen Medien nicht, wie pädagogisch üblich, auf mathematischem und naturwissenschaftlichen, sondern eben auf ästhetischem und künstlerischen Weg suchen. Der Computer ist nicht nur ein Werkzeug, sondern vor allem auch ein Spielzeug. Die Kinder wissen das. Zwar können auf Lernen fixierte Pädagogen nur schlecht damit „umgehen“. Aber sie sollten es… lernen. Die Neuen Medien machen den kulturellen Reichtum so umfassend zugänglich, daß ihn der Lehrer nicht mehr bloß besprechen muß, sondern ihn zeigen kann. Sie sind an sich eine Revolution der Unterrichtsmethoden.
Inwiefern ist aber
der Computer ‚selbst ein Kunstwerk’? Erstens, weil er nicht nur aus den
Rechentafeln der Techniker, sondern auch aus dem erfinderischen Spiel
der Einbildungskraft hervorgegangen ist. Und zweitens, weil dieses
‚Werk’ wie ein Hohlspiegel des Geistes wirkt. Nicht nur die Grenzen
zwischen der Kunst und der Wirklichkeit sind durch die Neuen Medien
zweifelhaft geworden. Auch der Unterschied zwischen Mensch und Technik
wurde unsicher. Von den Tieren unterscheide sich Homo sapiens durch
seine Intelligenz, heißt es. Und von den Maschinen? La nature de l’homme, c’est l’artifice,
unsere Natur sei Künstlichkeit, sagte ein kluger Franzose. Indem er die
Künstliche Intelligenz erfunden hat, hat der Mensch sich überboten und
ad absurdum geführt – siehe A. I., 2001 – Odyssee im Weltraum, Wargames, Terminator, Total Recall, The Matrix…
Ist Intelligenz doch nicht das unterscheidende Merkmal des
Menschlichen? Oder müssen wir uns bloß unter Intelligenz künftig etwas
anderes vor-stellen als bisher? In jedem Fall ist uns die denkende
Maschine ein Rätsel. Und wenn irgendwas, dann macht sie das zu einem
Kunstwerk.
Doch wurde der
Entschluß, als dritte Säule des Fachangebots neben Musik und Bildender
Kunst die Neuen Medien einzusetzen, nicht aus dem Räsonnement, sondern
aus der Anschauung geboren. Wer je einem jugendlichen Computerfreak
begegnet, der findet eine Leidenschaft und Faszination (und übrigens
auch Ehrgeiz) am Werk, die nur künstlerisch, und mindestens ebensosehr
ästhetisch wie sportlich zu nennen sind. In jedem Fall ist der
erfolgreiche Nutzer des Computers weniger Arbeiter als Spieler. Und es
ist ein „ernstes“ Spiel, das er treibt – so wie, nach Schiller, die
Kunst. Die Schüler vergessen ihre Lehrer, wenn sie mit dem Computer und
in seinen „Netzen“ nicht arbeiten, sondern spielen. Aber das ist die
funktionellste und darum auch ökonomischste Art ihrer Nutzung. Sie auf
die Rolle eines Hilfsmittels, etwa bei Komposition und Gestaltung,
festlegen zu wollen, wäre eine künstliche Verarmung.
Wie weit der
pädagogische Ansatz trägt, den Computer selber als einen Kunstgegenstand
aufzufassen, wird sich erst erweisen müssen: indem man es ausprobiert.
Insofern trägt diese Schule auch den Charakter eines Labors. Wie dabei
Musik, Bildende Kunst und Computer didaktisch ‚unter einen Hut’ zu
bringen sind, ist alles andere als evident. Auch da wird noch einiges
auszuprobieren sein; immer bedenkend, daß Harmonie, die es zwischen
Malern und Musikern nie gegeben hat, auch hier das Ziel nicht sein kann.
Doch wenn nun die Kunst fürs Ohr und die Kunst fürs Auge gemeinsam
einer Kunst für Ohren und Augen gegenüberstehen, werden vielleicht die
Widersprüche nicht „vermittelt“, aber immerhin die Frontlinien verwirrt.
Und wenn sich am Ende zeigen sollte, daß der Computer doch nicht alles
hält, was man uns heut von ihm verspricht, wird es uns nicht das Herz
brechen. Auch als bloßes Werkzeug reichen seine Möglichkeiten noch so
weit, daß ein Schülerleben nicht ausreicht, um sie zu erschöpfen.
Jedenfalls können Pädagogen in Fürstlich Drehna Neuland aller Art
betreten – und sich daran erinnern, warum sie diesen Beruf einmal
gewählt haben.
Elite?
Ist dies
pädagogische Programm elitär? Elite heißt Auslese. Wer liest wen aus –
und wofür? Sind es die Vorzüge der Geburt, die da „auslesen“, dann sagt
man besser: Privileg. Und Leute, die sich selber auslesen, nennt man
gemeinhin Snobs. Als Reservat für Privilegierte kommt Fürstlich Drehna
aber kaum in Frage: Dafür ist es zu preußisch-karg. Den Snobs hingegen
bietet die ländliche Idylle nicht das nötige Publikum. Nur gegen eine
Elite, die sich aus der Menge ausliest, indem sie nicht an andere,
sondern an sich selbst besondere Ansprüche stellt, kann auch die
Sozialpolitik nichts einwenden. Und eine Elite, die sich ausliest, indem
sie besondere ästhetische Ansprüche an sich stellt, wählt ja nicht den
bequemsten Weg. Wohl wahr – sie wird sich behaupten müssen! Aber sie hat
auch guten Grund dazu.
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