Donnerstag, 25. September 2014

Die Praxis der Unbildung.

aus DiePresse.com, Wien, 25. 9. 2014

Philosoph Liessmann greift "Bildungsexperten" an
In seinem neuen Buch greift Konrad Paul Liessmann den oft zitierten Andreas Salcher und seine Kollegen an. Ihre Sicht auf die Schule kann er nicht teilen. 

2006 veröffentlichte der Philosophie-Professor Konrad Paul Liessmann eine Abrechnung mit dem bildungspolitischen Mainstream. Nun, acht Jahre später, folgt mit "Geisterstunde" - so der Untertitel - "Die Praxis der Unbildung". Darin arbeitet er sich an seinen alten Feindbildern ab: Unter anderem Pisa-Studie ("Es geht um die Pfründe der empirischen Bildungsforschung, die nach Daten giert, die sich zeitgeistkonform interpretieren lassen") oder Bologna-Reform. Mittlerweile hat Liessmann aber auch neue Gefechtspartner gefunden.

Angriff auf die Bildungsexperten

Ein ganzes Kapitel widmet er "Bildungsexperten" (paradoxerweise firmiert Liessmann mittlerweile in manchen Medien gegen seinen Willen selbst als solcher) wie Bernd Schilcher, Andreas Salcher, Richard David Precht oder Gerald Hüther und deren Inszenierung als "letzte Erlöser und Heilsbringer in einer säkularisierten Welt".

"Die Bedeutung des Bildungsexperten liegt weniger in der Qualität seiner Expertise als in der medialen Aufmerksamkeit, die er genießt. Dadurch prägt er ganz wesentlich die öffentliche Stimmung und das Bild, das allenthalben von Schulen, Lehrern und Universitäten existiert. Mittelbar beeinflusst er so auch die Politik, die er gleichzeitig verachtet, da er sie letztlich für jene Bildungsmisere verantwortlich macht, gegen die er seinen heroischen Kampf führt", schreibt der Philosoph.

Hochtalentierte Wesen, die gebrochen werden

Die Sicht der "Experten" auf das Kind kann Liessmann offenbar nicht teilen: "Bei allen inhaltlichen Differenzen und inneren Widersprüchen: Es gibt einige markante Grundüberzeugungen, die die Bildungsexperten unserer Tage teilen. Fast alle sind gute Rousseauisten, das heißt, sie sind überzeugt davon, dass Neugeborene, Babys und Kleinkinder wunderbare, umfassend kompetente, mehrfach begabte, hochtalentierte und kreative Wesen sind, die allein durch ein antiquiertes Bildungssystem korrumpiert, gebrochen und zerstört werden. Das Kind mutiert zum Ur- und Vorbild des Humanen, der Schwärmerei über dessen Repertoire an unglaublichen Fähigkeiten sind denn auch keine Grenzen gesetzt..."

Lehrer als "minderqualifizierte Begleiter"

Auch die zuletzt vor allem von Ex-Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) vorangetriebene "Kompetenzorientierung" des Unterrichts (anstelle der Orientierung an reinen Inhalten) ist Liessmann ein Dorn im Auge. Da er diese auf die neue Lehrerausbildung übergreifen sieht, bekommt auch diese ihr Fett ab: "Die Transformation höherer Schulen in sozialpädagogische Anstalten, deren Träger permanent sich selbst beobachtende, fachlich minderqualifizierte Begleiter und Betreuer sein werden - von Lehrern kann man wirklich nicht mehr sprechen -, ist hier schon vorgezeichnet."

Verpflichtendes Philosophicum als Grundlage

In die gleiche Richtung zielt seine Kritik an der Abkehr von der "Fachlichkeit", die sich in Begriffen wie "Interdisziplinarität, Transdisziplinarität, Fächerbündel oder Aufhebung der Fachgrenzen" bzw. "fächerübergreifender Unterricht" manifestiert, und dem "Praxisfetischismus" in der Lehrerbildung. 

Paradoxerweise fordert Liessmann an anderer Stelle für die universitäre Bildung, "vor aller Spezialisierung in einem Fach einmal grundlegend in die Tradition, Problematik und Gestalt des neuzeitlichen Wissenschaftsbegriffs eingeführt worden zu sein. In diesem Sinn wäre eine Neufassung eines verpflichtenden Philosophicums oder eines studium generale, das eine wissenschaftstheoretische, eine wissenschaftshistorische und eine wissenschaftsphilosophische Ausrichtung haben sollte, ein erster Schritt zur Wiedergewinnung jener Idee von Universität, die in der Gesamtheit der Wissenschaften, in der universitas litterarum ihre Bestimmung gesehen hatte".

Das alles liest sich recht amüsant, auch wenn Liessmann das eine oder andere Mal den Bildungsbürger allzu deutlich raushängen lässt. In manchen Punkten wird man ihm schmunzelnd beistimmen, in anderen weniger, in vielen ihm Übertreibung vorwerfen können - was aber immerhin das Wesen einer "Streitschrift" ist. Liessmann selbst leitet jedes seiner Kapitel mit "Es ist gespenstisch" ein, um seine teils überspitzte Polemik mit dem Fazit "In (...) zeigt sich die Praxis der Unbildung in ihrer (...) Gestalt" abzuschließen. Anschließend kommt dann die Kritik unter dem Motto "Dabei wäre alles ganz einfach" in etwas gedämpfter Form - gleich auf Streitschlichtung zu hoffen, wäre aber zu optimistisch.
(APA/Red.)

Das Buch
Konrad Paul Liessmann: "Geisterstunde: Die Praxis der Unbildung. Eine Streitschrift", Zsolnay Verlag, 176 Seiten, 18,40 Euro. Buchpräsentation am Mittwoch, 1.10, 19.00 Uhr, Palais Ephrussi, Wien 1, Universitätsring 14)

Nota.
Auch die Gegenaufklärung hat ihre Dialektik. Ohne die schrecklichen Erfahrungen der Bologna-Reformen könnte sich das niemand trauen: an den Universitäten ein verbindliches Philosophicum oder Studium generale zu fordern wie zu Humboldts Zeiten! Es muss immer erst schlimmer werden, damit es besser werden kann.
JE

Freitag, 19. September 2014

Ein Pionier der Kompetenzen-Pädagogik: Heinz Klippert.

Heinz KlippertAls man begann, an die Stelle von Anschatzen von Lernstoff die Entwicklung und Ausbildung der persönlichen Fähigkeiten der Schüler zu setzen, konnte man annehmen, dass diesmal wenigstens die Richtung stimmt: die Bildung von Personen vor der Erfüllung des Lehrplans! Im technischen Detail würde es wieder tausend  Misshelligkeiten geben, aber das lag in der Natur der Sache. Jedenfalls hätte das blinde Herumreformieren endlich ein gemeinsames Ziel gefunden und würde doch einmal bleibende Spuren hinterlassen: 

"Kompetenzen" hieß das Zauberwort. 

Inzwischen ist die Ernüchterung groß - eine weitere Mystifikation, wie so viele schon vor ihr! Statt um die Sache selbst geht es wieder nur um formale Abstraktionen, und PISA hat darauf eine reguläre, weder wissenschaftlich noch politisch kontrollierbare monopolistische Industrie gegründet.

Dabei haben sie die Idee bloß geklaut. Sie hat einen Pionier, einen Partisanen, der es wie David gegen den Goliath des gesamten Schulapparats aufgenommen hat. Aber so gut, dass man sie mit einem Riesenapparat der ganzen OECD überhelfen musste, war sie gar nicht.
aus PÄDForum 6/2004

Nach langer Tragezeit “ist es nun endlich soweit.”[1]  Das Klippert-System hat die Grundschulen erreicht – und steht vor seiner Bewährungsprobe. 

Merkwürdig: Seit nun einem Jahrzehnt[2] schleicht sich eine Bewegung durch die pädagogische Provinz, ohne daß es offiziell zur Sprache kommt – wie kann das sein? Die Pädagogik ist in Deutschland ein closed shop. In keinem andern Erwerbszweig werden die Jagdgründe so eifersüchtig gehütet. Kein Häufchen ist so gering, daß nicht wenigstens ein erziehungswissenschaftlicher Professor drauf säße, und die mögen nicht, wenn man ihre Kreise stört. Sie revanchieren sich durch Nichtbeachtung. Nicht eins der einschlägigen Fachblätter hat bislang dem Klippert-Phänomen Aufmerksamkeit gezollt.[3] Und unter den Praktikern fiebert auch nicht jeder nach Neuerung, mancher tut nur so.   

Scylla...

Klippert, Methodenlernen in der GrundschuleDaß Heinz Klippert da eine regelrechte Schule um sich scharen konnte, ist selber eine pädagogische Leistung, auf die man neidisch sein darf. Und deutet an, daß auch in diesem Reich die bewährte Ordnung wackelt. Aber das Neue ist nicht gut, weil es neu ist, sondern weil, d.h. wenn es besser ist als das Alte. Ob es das ist, wird sich nun weisen. Die Grundschule ist der Testfall.  Wenn Klippert “die bis heute vorherrschende Praxis des gedankenlosen Paukens und Rezipierens in unseren Schulen” beklagt[4] – wer will ihm widersprechen? “Die meisten Lehrerinnen und Lehrer halten mehr oder weniger verbittert und trotzig an den herkömmlichen direktiven, belehrenden Verfahrensweisen fest. Nach wie vor dominieren rezeptive Lehr/Lernverfahren, die den SchülerInnen eine passive Rolle zuweisen und vorrangig reaktive und reproduktive Lernleistungen induzieren.[5] Einseitige Betonung des Memorierens ist bis heute kennzeichnend für die schulische Leistungsmessung”, sie verleitet die Schüler “zum ebenso vordergründigen wie kurzfristigen Pauken des jeweiligen Lernstoffs.[6] PISA war die Quittung: “Die deutschen Kinder sind zu unselbständig, denken zu wenig, lernen zu sehr nach Schema F, tun sich schwer mit dem Erschließen und Anwenden von Wissen” und kommen mit komplexeren Aufgabenstellungen nicht zurecht.[7]
  
Belehrung, UnterweisungFrüher mag die “alte Belehrungs- und Unterweisungsmethode”[8] ihren Zweck erfüllt haben. Wenn sie heute nicht mehr genügt, dann sind die gegenwärtigen “Sozialisationsbedingungen” schuld.[9] Die Familie zerfällt, der Medienkonsum nimmt überhand… “Die Anzahl derjenigen Kinder, die demonstrativ Desinteresse zeigen, die herumkaspern, verbal ausfällig werden, Frustrationstoleranz vermissen lassen, ständig im Mittelpunkt stehen wollen, ausgeprägt Zuwendung verlangen, ständig Spaß haben wollen, das soziale Miteinander in der Klasse erschweren und dennoch geliebt und möglichst vielfältig bestätigt werden wollen, ist inzwischen ziemlich groß geworden.”[10]

Das wäre die Lücke auf der Angebotsseite. Auf der Nachfrageseite klafft aber ein Abgrund. Die Anforderungen des Arbeitsmarkts haben sich radikal verändert. An die Stelle des ausführenden Handlangers, dem Vorarbeiter, Meister und Abteilungsleiter das Denken, Planen und Entscheiden abgenommen haben, ist der selbstdenkende und kooperationsbereite Mitarbeiter getreten. Neben der eigentlichen Fachqualifikation werden die sogenannten Schlüsselqualifikationen immer wichtiger: “Aufgeschlossenheit gegenüber allem Neuen, ganzheitliches Denken in Prozessen, Teamwork, Selbständigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Initiative, Kreativität, Motivation, Zuverlässigkeit”.[11]
 

Natürlich könne auf Fachwissen auch weiterhin nicht verzichtet werden, “allerdings ist das fachspezifische Wissen inzwischen viel zu ‚flüchtig’ geworden, als daß es noch länger sinnvoll wäre, das traditionelle Detail- und Vorratslernen aufrechtzuerhalten. Die Halbwertszeit des beruflichen Fachwissens liegt mittlerweile bei 1-3 Jahren.”[12] Jedes zweite Unternehmen halte inzwischen Fachqualifikationen und Schlüsselqualifikationen für gleich wichtig, und ein Drittel würde im Zweifelsfall sogar den Schlüsselqualifikationen Vorrang geben. Selbst wenn also die alte “Lernschule”[13] noch funktionieren würde – es braucht sie keiner mehr.

…und Charybdis

Das ist nicht neu. Seit vielen Jahre heißt die Alternative: “Offenes Lernen”; also Gruppenarbeit, selbständige Versuche, Wochenpläne, PC-Recherchen, Präsentationen, Rollenspiele und Projektarbeiten aller Art… Doch “hinter die Praxis des Offenen Unterrichts ist ein Fragezeichen zu setzen.[14] Denn Fakt ist, daß viele Lehrkräfte Gruppenarbeit bis dato eher mit Zeitvergeudung, Unruhe, Disziplinlosigkeit, Unverbindlichkeit und Ineffektivität in Verbindung bringen und deshalb entsprechend zurückhaltend davon Gebrauch machen. In der Sekundarstufe I wird nachweislich nur in rund 9% der Unterrichtszeit Partner- und Gruppenarbeit praktiziert, aber in rund drei Viertel der Unterrichtszeit auf ‚Klassenunterricht’ (Lehrervortrag, Unterrichtsgespräch, Demonstrationen etc.) abgestellt.[15] Zu groß sind die Bedenken und Ängste, dass das offene, problemlösende Lernen das Gros der Schüler überfordert und die anstehende Wissensvermittlung über Gebühr beeinträchtigt.[16]
 

Vor allem die große Gruppe der eher antriebsarmen, verwöhnten, leistungsschwächeren, ängstlichen, unsicheren und/oder entscheidungsschwachen ‚Mitläufer’ in den Klassen verfügt häufig weder über die nötige Eigeninitiative und Selbstsicherheit noch über die erforderlichen methodischen Fähigkeiten und Routinen, wie sie im Rahmen offener Arbeitsformen benötigt werden. Kein Wunder also, daß sie in Freiarbeits-, Wochenplan- oder Projektphasen eher hilflos herumtrödeln, vorschnell fragen und sich helfen lassen oder gedankenlos von irgendwelchen Mitschülern abschreiben.[17] Natürlich gibt es auch die anderen Kinder, die vom Offenen Lernen in hohem Maße profitieren. Nur ist die Zahl dieser ‚autodidaktischen Lerner’ mit ausgeprägter Methoden- und Sozialkompetenz verhältnismäßig gering.”[18]

Das Zwischending

Klippert teilt die “verbreiteten Vorbehalte, die Lehrerinnen und Lehrer immer wieder z. B. gegenüber Gruppenarbeit und Projektarbeit vorbringen”,[19] und illustriert sie noch mit der Zeichnung ‚Freie Arbeit in der Karikatur’: Die einen toben, die andern dösen![20] 

 
offener Unterricht
 Denn die Schüler sind für die “Hochformen des eigenverantwortlichen Unterrichts” noch gar nicht reif! Man muß einen Zwischenschritt einschieben, um sie zur Selbständigkeit zu ertüchtigen. Es fehle den (meisten) Schülern nämlich an erprobten Verfahrensmustern, die ihnen Halt geben: “ein Repertoire an fertigen Handlungsabläufen, die durch wiederholtes Tun vorfabriziert, ganzheitlich abgespeichert und zuverlässig zu reproduzieren und auf neue Gegebenheiten zu übertragen sind.”[21] Nötig ist die Ausbildung von “Handlungsschemata”, “strategische[n] Handlungsroutinen, die sich aus mehreren Handlungselementen zusammensetzen, an die je relevantes Fachwissen angelagert ist.”[22]
SchritteDa geht es nicht um “Hochformen”, nicht um “Makromethoden”, die mehr an den doktrinalen Vorlieben der Erziehungswissenschaft orientiert sind als an den Bedürfnissen der Schüler; sondern um “die Beherrschung einfacher Lern- und Arbeitstechniken: Markieren, Exzerpieren, Strukturieren etc.”,[23] um einfache Skills wie “Memorieren, Recherchieren, Visualisieren, Nachschlagen, Klassenarbeiten vorbereiten, Zeitmanagement, Präsentieren, Interviewen, Diskutieren, oder regelgebundene, konstruktive Arbeit im Team.”[24] Da reichen nicht ein paar sporadische Übungen hier und da, sondern “ein systematisches Methodentraining mit integrierten Reflexions- und redundanten Übungsphasen” ist nötig.[25] Es geht um “Routinebildung im besten Sinne des Wortes”,[26] und die muß “kleinschrittig angebahnt” werden und “bereits in den ersten Klassen anlaufen”.[27] Kleinschrittigkeit (sic), Redundanz[28] und Routine sind die Schlüsselwörter des Klippert-Systems.

Und Reduktion! Daher seine zärtliche Sorge für das Markieren von Texten, das ihm von allen “Skills” am meisten am Herzen liegt: Unser Gehirn sei nämlich darauf angewiesen, “größere Informationsfülle gezielt zu reduzieren und etwaige Kernelemente möglichst augenfällig hervorzuheben”.[29] Darauf legt er soviel Wert, daß ihm unter der Hand die “Mikromethoden” zur Hochform anschwellen und sich sub titulo “Methodenbeherrschung” unversehens auf der Liste der (‚von der Wirtschaft geforderten’) Schlüsselqualifikationen wiederfinden.[30] Allerdings zum Preis einer kleinen Unsauberkeit. Hieß es eben noch – als Ergebnis ‚der Forschung’ -, Informationen müßten sinnfällig reduziert “und anschaulich verknüpft” werden,[31] so behält er im Fortgang nur die Reduktion bei und die anschauliche Verknüpfung fällt untern Tisch – weil sie nicht in seine Vorstellung vom Lernen als einem Stufengang paßt und in eine ganz andere Richtung weist…

Daß bei allem, was man tut, gewisse handwerkliche Fertigkeiten nützlich sind, wer wird es leugnen? Das Besondere des Klippert-Systems ist, daß das Methodische vom Inhaltlichen des Unterrichts getrennt und ihm vorangestellt werden soll: daß “in bestimmten Phasen des Unterrichts einzelne Lern-, Arbeits-, Kommunikations- und/oder bestimmte Kooperationstechniken ins Zentrum der Unterrichtsarbeit gerückt werden und gewollt Vorrang vor der erschöpfenden Behandlung der je anstehenden Inhalte erhalten.”[32] Mit gelegentlichen Übungen während des laufenden Sachunterrichts ist’s nicht getan, denn die “Dominanz der Inhalte verstellt den Blick für die Wertigkeit und die praktischen Feinheiten der Methodik”. Wirkliche ‚Methodenbeherrschung’ sei “nicht zu erreichen, wenn immer und überall die Inhalte über- mächtig im Vordergrund stehen und erschöpfend zu behandeln sind”.[33] Immer hübsch eins nach dem andern.

Der Prüfstein

Zwei Drittel des Buchs bestehen aus praktischen Übungen. Sie bieten eine ganz eigenartige Verbindung von Originalität und Pedanterie. Wir geben hier die Seiten 116/117 wieder: Rechts der hübsche Einfall, Wörter nach rein optischen Merkmalen des lateinischen Schriftbilds zu sortieren – in einer Kultur, die auf Schriftlichkeit beruht, ist das nicht entfernt so kindisch, wie der Normalstudienrat meint. 

 
rechte Seite

Aber links dann die unterrichtstechnische Gebrauchsanweisung: “kleinschrittig” (deutsch für: pedantisch) bis zum Exzeß.

 
linke Seite

Was anfing als ein unbefangenes und trotzdem ernstes Spiel mit Formen und Bedeutungen, endet als x-tes Exerzitium in “Methodentraining”. Die Freiheit der Einfälle steht hier wie überall in krasser Spannung zum Anspruch auf didaktische Systematik.

Die ‚systematische’ Prätention verdirbt die besten Ideen. Nehmen wir nur das Markieren: Da gibt es Übungen, wo zunächst jeder Schüler für sich einen Text markiert und hernach in der Gruppe darüber verhandelt, welche Wörter ‚wirklich’ die wichtigsten waren. Das sind vorzügliche Übungen, die bereits Grundschüler zwanglos auf eine kognitive Meta-Ebene locken: reden nicht nur über die Bedeutungen, sondern über die Bedeutungen von Bedeutungen. Das entführt sie auf eine Reflexionsebene, wo ihr Welt-Bild um eine ‚obere Etage’ erweitert wird. Doch das interessiert Klippert gar nicht. Ihm reicht “Routinebildung”.

Reflexion soll aber sein – freilich im Dienst der “Kleinschrittigkeit”: damit nix ausgelassen wird. Und so werden die Schüler zu ständiger Selbstkontrolle angehalten. Z. B. mit dem Formblatt auf S. 52 für ABC-Schützen:

für erste und zweite Klasse
Pausenlose Selbstbeobachtung – bei sechs- bis zehnjährigen Kindern! Also in einem Alter, dessen Reichtum die unverstellte Hingewandtheit zur Welt ist und die Aufgeschlossenheit für Menschen und Dinge. Ihre Stärke ist nicht Genauigkeit, sondern Fülle der Anschauung. Weil sie sich nämlich jetzt den Vorrat anlegen, von dem sie ein Leben lang zehren werden. Statt sie in ihrem Weltbezug zu bestärken, trainiert sie das Klippert-System in Selbstbezogenheit – kleinschrittig, redundant und routiniert, als ob man gar nicht früh genug damit anfangen könnte. Es stellt die Dinge auf den Kopf.


Die Grundschule ist jene Bildungseinrichtung, wo der Grund gelegt wird für alles Kommende. Wenn sich Klipperts System hier bewährt, dann taugt es auch anderswo. Und wenn nicht, dann nicht. Alles kommt auf diese Frage an: Ist Lernen eine Aneinanderreihung von “Schritten” (seien sie klein oder groß)? Ein linearer Prozeß des kumulativen Anlagerns von Informationen, wo man den zweiten Schritt nicht vor dem ersten tun darf, weil’s sonst um die “Anschlußfähigkeit” geschehen wär?

 
Perlenschnur

Dann müßte man beim Einfachsten anfangen und sukzessive zu immer komplexer zusammengesetzten Vorstellungsgebilden fortschreiten. Das Einfachste ist aber das Abstrakteste. In der sinnlichen Erfahrung, im Alltagserleben der Kinder kommt es gar nicht vor. Die Gegenstände der unmittelbaren Anschauung “zeigen sich” immer mannigfaltig und bunt. Das Einfache ist erst Produkt einer Reflexionsarbeit – bei der auf eine ‚Seite’ der Erscheinung und von allen andern Seiten abgesehen wurde. ‚Lernen’ ist also ein Prozeß der Umordnung, bei dem das weite Feld der je individuellen Anschauungen entlang entworfener ‚Sinn-Achsen’ umstrukturiert und in einen gedachten (‚gemeinten’) Zusammenhang gefügt wird.

Bei dem, was wir unsere Wahrnehmung nennen, geht nämlich doch der zweite Schritt gewissermaßen dem ersten voraus. Sie verfährt ‚erst’ synthetisch und ‚dann’ analytisch: stellt einen Zusammenhang her, den sie dann zerlegt. “Wahrnehmen ist das Verifizieren vorausgeträumter Hypothesen”, sagt der Hirnforscher Wolf Singer,[34] und der Hirnforscher Ernst Pöppel drückt dasselbe so aus: “Entwicklung: nicht Lernen, nur Bestätigen”.[35] Will sagen: ‚zu Grunde’ liegt ein Entwurf, eine spontane Vorstellungsleistung, die das Gehirn immer wieder mit den Meldungen unserer Sinneszellen konfrontiert und interpoliert.[36] Konfrontieren mit den Daten aus der Wirklichkeit – das ist etwas, was die Schule zu üben hat. Wäre nichts da, was sie konfrontieren kann, hätte sie nichts zu tun. Die Schule muß auf den Vorleistungen der Kinder aufbauen.[37] Sie braucht ihnen das Einbilden nicht erst beizubringen, das können sie, seit sie ‚zur Welt gekommen’ sind. Aber der Einbildungskraft das Material zeigen, an dem sie sich herausbilden kann – das könnte sie, und dafür ist sie da. Das ist der Grund der Schule, da muß sie anfangen. Zuerst geht es um Fülle, da gibt’s gar kein Verschwenden. Für Genauigkeit ist später Zeit. Erst kommt Pädagogik. Didaktik kann warten: Eins nach dem andern.

Erfolg

Klipperts System wird der Bestimmung der Grund-Schule nicht gerecht, weil es lediglich das Pauken von ‚Fakten’ durchs Pauken von ‚Methoden’ ersetzt, statt die Einbildungskraft zu stacheln. Das ist den Aufwand nicht wert. Es hat seine entscheidende Prüfung nicht bestanden.

Dennoch berichten seine Adepten von ihren Erfolgen gerade in der Grundschule! [38] Und man darf ihnen ruhig glauben. Wann immer ein Pädagoge mit Überzeugung – egal wovon – zu Werke geht, wird er bei seinen Zöglingen ganz andern Erfolg haben als einer, der nur seine Routine runterspult. Insofern ist jede neue Methode ein “Fortschritt”: jedesmal wieder. Und verweist uns auf das, was wir immer schon wußten und was die Methodenfetischisten peinlichst verdrängen wollen: Die Pädagogen sind es, auf die es bei der Pädagogik ankommt.
Was gemacht wird und wer es macht, das gehört zusammen – ein Wie hat sich noch immer gefunden. Dumm ist nur, daß Klipperts Methode so angelegt ist, daß sie die Bedingung für diesen ihren Erfolg “kleinschrittig” selber untergräbt: Zweck ist ja Routinebildung - erklärtermaßen nicht nur bei den Schülern, sondern auch bei den Lehrern! Am Ende werden sie ihre Schüler wieder genauso langweilen wie vor Klippert. Dann ist, wie bei so mancher Unterrichtsreform, außer Spesen auch diesmal nichts gewesen.

lange WeileWenn zwar der gegenwärtige Erfolg der Klippert-Methode bei den Schülern nicht überrascht, fragt sich immer noch: woher der Erfolg bei den Lehrern? Ein Grund liegt auf der Hand: Das ist kein Hochschullehrer, der seine Weisheit aus fremder Leute Büchern schöpft, sondern hier spricht einer aus der Praxis für die Praxis. Eine gewisse Laxheit in theoretischen Dingen sieht man ihm wohl nach.
Die ausführlichste Begründung seines Systems gibt Klippert, soweit ich sehe, in Eigenverantwortliches Arbeiten und Lernen, S. 1-88. Lernforschung, Hirnforschung, Jugendforschung, Arbeitssoziologie, Konstruktivismus (PISA nicht zu vergessen) – er heizt mit jedem Holz. Für den Kritiker enttäuschend, kennzeichnet dieser Eklektizismus aber auch Klipperts stärkste Seite: Das ist alles nicht aus Begriffen konstruiert, sondern stammt direkt aus eigener Erfahrung; die Begründungen kamen hinterdrein.
Vielleicht ist es so, daß mit den Erfolgen auch die Widerstände wachsen. Dann muß man immer wieder eins draufsatteln; jedenfalls hat sich im Lauf der Jahre sein reiches Repertoire geistvoller Unterrichtseinfälle “kleinschrittig” zu einem regelrechten didaktischen System ausgewachsen. Was als Lose-Blatt-Sammlung[39] eine Bereicherung des Schulalltags und ein Elixier gegen die tödliche Langeweile wäre, riskiert als ‚systematische’ Routine zu einem Friedhof der Einbildungskraft zu werden.

Da regt sich ein Verdacht. Könnte es sein, daß der Erfolg der Klippert-Methoden bei den Lehrern auch darauf beruht: Man hat das gute Gefühl, man tut was für den Offenen Unterricht – und muß ihn doch nicht selber praktizieren? Klippert wirbt schließlich damit, daß sein Verfahren “ohne revolutionäre Umstellungen und unkalkulierbare Risiken gewagt werden kann”…[40]

Arbeitswelten

Pädagogik ist aber ohne Risiko nicht zu haben. Knaben müßten gewagt werden, meinte Herbart.[41] Und wer alle Risiken vorher “kalkulieren” will, der will keine – und das ist unter den Risiken der Pädagogik das größte; da darf er sich dann nicht beklagen, wenn er’s in diesem Beruf schwer hat. Pädagogik ist eben keine ‚Methode’, die man nur noch anwenden muß – das ist das ganze Problem. Das war schon immer das Problem. Allerdings hat es sich heute zugespitzt wie nie, und das liegt an den Veränderungen der Arbeitswelt, da hat Klippert ganz recht.

Nicht so sehr die Veränderungen bei der industriellen Fertigung sind der Grund. Denn Leitbild der Volksschulpädagogik war im 20. Jahrhundert gar nicht der Industriearbeiter. Das war er im Neunzehnten, und der damalige Fabrikarbeiter war typischerweise ungelernt. Entsprechend ‚elementar’ konnte seine Bildung sein: ABC, Volksschule1×1 und 10 Gebote. Im 20. Jahrhundert wurde mit dem Überwuchern der eigentlichen Produktion durch die Verwaltung[42] der Angestellte auch in der Industrie immer mehr zum Leitbild. Nicht der Geist der Industrie ist es, der seither Alles durchdringt, sondern der Geist der Bürokratie. Und für die Volksschule hieß das: Schema F.

Das humanistische Gymnasium war auf den höheren Staatsdienst zugeschnitten. Die Realschulen bedienten ‚die Wirtschaft’. Als dort an die Stelle des Unternehmers als Maßstab der Leitende Angestellte trat, wurden die Realien dem (enthumanisierten) Gymnasium zugeschlagen, und so konnte es während der ‚demokratischen’ Bildungsreform der 70er Jahre zur allgemeinen Norm überdehnt werden[43] – auf die “Restschule” gehn die Zurückgebliebenen.
Ein Standard für alle – der Traum jeder Verwaltung! Das Bildungssystem ‚normalisierte’ sich zu einer großen Administration – mit dem Gymnasium als ihrem ‚höheren Dienst’. Daran wird die Grundschule seither gemessen. Die Neigung unserer Schulen zum Zergliedern der Welt in ‚Fächer’ und des Lebens in ‚Schritte’ stammt nicht, wie man meinen mag, aus der Arbeitsteilung in der Fabrik, sondern aus den ‚Vorgängen’ der bürokratischen Apparate. Das Wie ist dort Substanz, das Was nur Akzidenz, und der Routinier (”im besten Sinne des Wortes”) ist König. Diesen Zustand will die Klippert-Schule anscheinend optimieren.
Verwaltung

Daß aber die Verwaltung neben der Zivilgesellschaft steht (d.h. wie ein Mühlstein an ihrem Hals hängt), war mittelbar durchaus ein Resultat der industriellen Arbeitsteilung. Je weiter die Produktion in Fächer und Abteilungen aufgesplittert wurde, umso mehr Spezialisten fürs Koordinieren wurden gebraucht, um die Einzelteile schließlich zueinander zu fügen: Das Vermitteln wurde selbst zu einem ‚Fach’! Mit dem Niedergang der Industriegesellschaft geht auch die Zeit der Fachleute-für-Vermittlung zu Ende. Lean management ist angesagt.
 
Das Vermitteln wird in der medialen Zivilisation (daher der Name) wieder zum genuinen Bestandteil der Schaffensprozesse selbst; online. Wozu also optimieren, was schon jetzt ein Anachronismus ist? Die Arbeitswelt der Zukunft wird immer weniger von Leitenden Angestellten geprägt sein und immer mehr von selbst-entwerfenden und selbst-realisierenden ‚Unternehmern’. Wozu hätte sich ein heutiger Abiturient durch einem Notendurchschnitt von 1,0 denn ‚qualifiziert’? Für eine eigne Performance in den globalen Netzen ja nicht gerade. Eher doch für eine leitende Stelle im höheren Staatsdienst. Nur – eine sehr realistische Berufswahl ist das bald nicht mehr.

Wie oder was

Es geht gar nicht mehr darum, wie man sich das ‚Lernen’ vorstellt, sondern darum, was man unter ‚Wissen’ versteht. Die hergebrachte Lernschule stellt sich das Wissen als ein gut sortiertes Regal von eingeweckten Wahrheiten (‚Informationen’) vor, auf die “zuzugreifen” nur noch geübt werden müßte. Das entspricht keiner industriellen, sondern einer bürokratischen Welt-Sicht. Ein Offener Unterricht, der darauf beruht, ist – mit oder ohne vorherige Methodengymnastik – allerdings ein Paradox, und die Schüler boykottieren in zu recht. 


Wer glaubt, daß die Welt schon entdeckt ist, dem werden die Kinder nicht abnehmen, daß es für sie da was zu entdecken gäbe. Er versäumt nicht etwa, sie zu “motivieren”, sondern er bricht geradezu ihr ureigenes originäres Motiv. Bei ihm sind sie immer zu spät gekommen. Aber das ist nicht wahr, das sind sie nicht.[44] Die Welt ist nicht entdeckt, es konstruiert ein jeder ‚seine’ Welt.

Daß es darüberhinaus eine ‚objektive’ Welt gibt, zu welcher die Einzelnen ihre Privatwelten ‚ins Verhältnis setzen’, liegt daran, daß sie in ihrem Alltag miteinander auskommen müssen. Unsere gemeinsamen Ansichten von der Welt stammen aus gemeinsamen Absichten in der Welt – die nämlich zu gemeinsamen Hinsichten auf die Welt veranlassen.[45] Und da wir nicht alle unsere Absichten mit andern teilen, teilen wir auch nicht alle unsere Ansichten. Ob oder ob nicht, das weiß man nicht im Voraus, man muß es drauf ankommen lassen. Darum kann man die Risiken der Pädagogik nicht “kalkulieren”!

Über die ‚wahren’ Ansichten entscheiden also die Hinsichten und die Absichten. Es ist eine Sinn-Frage, und sie ist keine theoretische, die sich durch ‚Lernen’ beantworten ließe, sondern eine praktische, die “aus Freiheit” zu entscheiden ist; nämlich jedesmal aufs Neue. Aufs Urteilsvermögen kommt es an. Das bedeutet, daß der Grund der Schule – das, worauf sie aufbaut – nicht Wissensbevorratung und Methodenturnen ist, sondern die Unterhaltung (!) der Einbildungskraft und das Wagen des eigenen Urteils.[46] Die Daseinsberechtigung der Grund-Schule ist Bildung. Um es ganz genau zu sagen: Geschmacks-Bildung.[47] 607px-eagle_nebula_pillars

Und wer!

Der Lehrer muß selber gesehen haben, was er den Kindern zeigen will. Das ist nicht die Frage, wie er’s macht, sondern wer er ist; nämlich was er aus sich gemacht hat.[48] Und so soll zum Schluß Heinz Klippert das Lob zuteil werden, das er verdient. Der sachliche Kern von seinem methodischen Outfit sind seine Übungsblätter, und die sind (fast alle) ausgefallen und pfiffig. Mancher denkt zwar: Das muß ein rechter Kindskopp sein, dem sowas überhaupt einfällt. Aber das macht gerade den Unterschied aus zwischen dem Pädagogen und den Vielen, die ihren Beruf verfehlt haben.
 

Pädagogik ist eine Kunst. Sie besteht darin, daß ein Alter in die Welt mit den Augen der Neuen sehen kann und trotzdem nicht vergißt, was er alles vorher selber schon gesehen hat – und es den Neuen zeigt. Klippert scheint das zu können. Aber wo so viele andere es nicht können, da wird auch seine “Methode” nix helfen. Kunst kommt von Können, hat Max Liebermann gesagt. Denn käm’s von Wollen, dann hieße es Wulst. Das gilt für unsere Kunst noch mehr als für die andern.
 

________________________________________________________
[1] Heinz Klippert, Frank Müller: Methodenlernen in der Grundschule; Weinheim-Basel (Beltz) 2003, S. 9 (im Folgenden zit. als GS)

 [2] Die Kampagne begann 1994 mit: Methoden-Training (bei Beltz/Weinheim-Basel); seither erscheint jedes Jahr ein neues Buch. Eine Quintessenz bietet: Heinz Klippert, Eigenverantwortliches Arbeiten und Lernen, Weinheim-Basel 2000, insbes. S. 10-86 (im Folgenden zit. als EVA).
[3] Wir sind die ersten. Unser Interesse ist allerdings auch mehr pädagogisch als erziehungswissenschaftlich.
[4] GS S. 28
[5] EVA S. 11f.
[6] GS S. 67
[7] GS S. 43
[8] EVA S. 3
[9]GS S. 21-24
[10] ebd. – In fast denselben Worten äußerte sich Hartmut von Hentig allerdings schon über die Kinder seiner Zeit… vor dreißig Jahren! (im Vorwort zu Philippe Ariès, Geschichte der Kindheit, München 1975, S. 32)
[11] EVA S. 20
[12] ebd.
[13] EVA S. 28
[14] GS S. 26
[15] GS S. 79
[16] EVA S. 54
[17] GS S. 9
[18] GS S. 25
[19]GS S. 41
[20]GS S. 25
[21]EVA S. 58
[22] EVA S. 31
[23] EVA S. 39
[24]GS S. 12
[25]GS S. 11
[26] ebd.
[27]GS S. 37
[28] GS S. 47 u.a. – Welch großen Wert K. auf Redundanz legt, sieht man in seinen Büchern auf jeder Seite.
[29] GS 12
[30]EVA S. 10
[31] s. Anm. 29!
[32] GS S. 46
[33] ebd.
[34] Wolf Singer, Ein neues Menschenbild?, Frankfurt a.M. 2003; S. 67-86
[35] Ernst Pöppel, Lust und Schmerz, München 1995, S. 187-193
[36]s. hierzu J. Ebmeier, Von der PISA-Studie und der Neurobiologie des Lernens, s. o.
[37] auf ihre Stärken achten statt auf ihre “Defizite”
[38] NRW ist die Hochburg der Klippert-Schule.
[39] EVA empfahl sich noch als “Ideensammlung”, “Methodenpool”, “Steinbruch” und “Börse” (S. 65, 73). An der Grundschule angekommen, ist jetzt ein Kanon draus geworden.
[40] EVA S. 67
[41] Joh. Fr. Herbart, Allgemeine Pädagogik, Bochum 1965, S.
[42] vgl. James Burnham, Managerial Revolution (1941) und die folgenden Debatten über Totalitarismus und die ‚Konvergenz der Systeme’
[43] Seither hat sich die Zahl der Beamten in Deutschland verdreifacht.[44] vgl. A. Schopenhauer auf diesen Seiten… [45] s. hierzu J. Ebmeier, Die Grenzen der pädagogischen Vernunft in: PÄD Forum 3/03, S.              177 [46] Wenn wir an PISA denken: Da liegt auch die Wurzel der Klassen-Benachteiligung; nicht bei der Informations-Menge.

 [47] Kants Kritik der Urteilskraft hieß im Entwurf “Kritik des Geschmacks”; s. hierzu J. Ebmeier, Herbarts Einsicht; in PÄD Forum 5/03
 [48] mhd. der wer : der Mann, Mensch; vgl. mhd. diu werelt (engl. the world): Gegend, wo die Menschen leben; was: lat. quale; die Washeit: lat. qualitas

Dienstag, 16. September 2014

Schulen in Berlin.

Ab dem ersten Schultag sollen alle Kinder dieselben Chancen haben, ob das so ist, hängt auch von der Schulpolitik ab.
aus nzz.ch, 16.9.2014, 14:15 Uhr


Schule in Berlin
Am Ziel vorbei



Zu wenig und fachfremde Lehrer, unterforderte Schüler: Im innerdeutschen Vergleich schneidet die Berliner Schulpolitik schlecht ab. Privatschulen in der Hauptstadt boomen. Diese bieten zwar besten Unterricht, doch kann sich das nicht jeder leisten.

Wenn in diesen Tagen die Schulferien auch in Bayern und Baden-Württemberg enden, hat in ganz Deutschland nicht nur für rund 690 000 Schulanfänger ein neuer Lebensabschnitt begonnen. Fast 40 Prozent eines Schülerjahrgangs macht gleichzeitig den Schritt von der Grundschule ins Gymnasium. Diese Durchschnittszahlen verdecken allerdings die grossen Unterschiede in Schulqualität und -politik der einzelnen Bundesländer. Schulgesetzgebung und -verwaltung sind in Deutschland Aufgabe der Länder – und die Schulpolitik ein letzter Hort des bundesdeutschen Föderalismus.

Bitter verteidigen die Länder eine ihrer letzten politischen Bastionen gegen den zunehmenden Zwang politischer und administrativer Zentralisierung durch den Bund. Gleichzeitig ist Schulpolitik immer ein Laboratorium gesellschaftspolitischer Veränderungswünsche und Utopien. Wie soll die künftige Gesellschaft aussehen, auf die wir die jungen Menschen in der Schule vorbereiten? Welche sozialen und kognitiven Fähigkeiten sollen junge Menschen erlernen und welche Bildungsinhalte sollen sie sich dazu aneignen?

 

Egalisierungseifer


Seit den siebziger Jahren sind das die Fragen, welche die deutsche Bildungs- und Gesellschaftspolitik bis heute prägen. «Chancengleichheit» hiess das verheissungsvolle Motto, mit dem Willi Brandt 1972 als Kanzler wiedergewählt wurde. «Chancengleichheit» in der Schulpolitik heisst seitdem, den Zugang zum Gymnasium zu erleichtern, um die Anzahl der Abiturienten beziehungsweise der an einer Universität Studienberechtigten zu erhöhen. Die Abhängigkeit des Bildungswegs des Kindes von dem Bildungshintergrund der Eltern soll damit verringert werden.


Der Wettbewerb um die beste Umsetzung dieser Leitziele führte zu einer hohen Frequenz an Schulpolitikreformen in den Bundesländern. Die erbitterte Diskussion um die Verkürzung der Gymnasialzeit von neun Jahren (G9) auf acht Jahre (G8) ist nur ein Beispiel einer gross verkündeten Reformidee, die alsbald wieder zerplatzt. In fast allen Bundesländern ist G8 übernommen worden; einige lassen auch noch G9 zu – und Niedersachsen kehrt ab 2015 zu G9 zurück.
 





(NZZ)
Dabei gilt auch hier, dass mancher reformerischen Grosstat, die im Gewand besonderer sozialer und pädagogischer Modernität daherkommt, am Ende nicht viel mehr als die schnöde Kürzung von Mitteln des Landeshaushalts für den Schul- und Bildungsbereich zugrunde liegt. Der Egalisierungseifer in der deutschen Schulpolitik geht dahin, unterschiedliche Bildungswege anzugleichen und Schulbildung so weit wie möglich vom Elternhaus weg in die Schule zu verlagern. Auch dies soll die Abhängigkeit der Leistung der Schüler von dem Bildungshintergrund der Eltern verringern.

Die Zusammenfassung von Haupt- und Realschule in eine Integrierte Schule – Ganztagsschulen, in denen die Schüler auch die Hausaufgaben machen, oder die Gemeinschaftsschule, in der die unterschiedlichen Schultypen unter einem Dach zusammengefasst werden –, sie entspringt ursprünglich diesem ideologischen Egalisierungseifer. Heute kommt er auch Erwartungen der Eltern sowie administrativen Sachzwängen entgegen. Die gleichzeitige Berufstätigkeit beider Elternteile macht Ganztagsschulen notwendig; und der demografische Wandel, der den Rückgang von Schülerzahlen zur Folge hat, nötigt die Kommunen in den Flächenstaaten, Schulen zu Gemeinschaftsschulen zusammenzulegen.

Der Pisa-Schock

Es ist dieses föderale schulpolitische Allerlei, das letztlich für den deutschen Pisa-Schock 2000 verantwortlich war. Die Pisa-Studie der OECD hatte die Schulleistung von 34 OECD-Ländern verglichen. Die selbsternannte Bildungsnation Deutschland, als Exportnation besonders abhängig von der Schul- und Ausbildung ihrer Gesellschaft, landete nur auf Platz 21. Das war der Startschuss für die Harmonisierung der so unterschiedlichen Schulgesetze der einzelnen Bundesländer. Mit vereinheitlichten Qualitätsstandards und -massnahmen sollten sich die Leistungsniveaus annähern. 

Dank den Anstrengungen von Bund und Ländern ist Deutschland in der letzten Pisa-Umfrage von 2012 auf Platz 16 (Schweiz: Platz 9) vorgerückt. Die Bundesrepublik hat sich nicht nur in der Förderung der Bildung für alle verbessert, sondern auch in der Förderung von Spitzenleistung – hier war sie unter dem Mantra der «Chancengleichheit» eher schwächer.

Eines blieb hingegen unverändert: Im Vergleich der Schülerleistung und der Schulqualität der einzelnen Bundesländer geben sich Berlin und Bremen in schöner Regelmässigkeit die rote Schlusslaterne in die Hand. Beide Stadtstaaten sind von der SPD regiert. Die von der CDU regierten Länder Sachsen und Thüringen haben indes den Freistaat Bayern vom Spitzenplatz verdrängt (vgl. Abbildung). Das Bildungsbarometer 2013 des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) zeigt, dass allein im Fach Mathematik die 15-Jährigen aus dem Spitzenreiter Sachsen ihren gleichaltrigen Kollegen aus Berlin zwei Schuljahre voraus sind. Natürlich steht Berlin vor anderen Integrationsanforderungen als Sachsen – dies wird von der Berliner Landesregierung auch gern als Erklärung für das schlechte Abschneiden Berlins vorgeschützt.

Gleichwohl liegt der Schluss nahe, dass dieses konstant schlechte Abschneiden Berlins im Ländervergleich seine Hauptursachen wohl in seiner ideologisierten und schlechten Schulpolitik hat. Die sechsjährige Regelgrundschulzeit etwa ist in Berlin eine «heilige Kuh». Leistungsstärkere Schüler sind in den zwei Schuljahren, die sie im Vergleich mit ihren Kollegen in 13 anderen Ländern in der Grundstufe sind, eher unterfordert. Eine weitere Berliner Besonderheit ist, dass Lehrer «nur» angestellt und nicht verbeamtet werden. Für gute Lehrkräfte ist das nicht sonderlich attraktiv.

Für das nun begonnene Schuljahr fehlten deshalb mehr als 2000 Lehrkräfte. Die Stellen mussten kurzfristig mit Lehrern aus anderen Bundesländern und durch berufsfremde Quereinsteiger besetzt werden. Hauptfächer wie Englisch und Mathematik werden zu einem Grossteil von fachfremden Lehrern unterrichtet, in den Grundschulen werden Mathematik und die Naturwissenschaften in bis zu 70 Prozent von fachfremden Lehrern unterrichtet. Die Beteiligung der CDU in der Berliner Koalition hat darauf bisher keinen Einfluss gehabt. Kritiklos schwenkten die Christlichdemokraten in der Schulpolitik auf den Kurs der SPD mit ein.

Aus diesen Gründen sind die wenigen Gymnasien in Berlin, die ausnahmsweise mit der 5. Klasse beginnen dürfen, bei Eltern und Schülern sehr begehrt. Es sind dies nicht nur staatliche Schulen, sondern auch private, vor allem diejenigen in konfessioneller Trägerschaft. Die Viertklässler müssen sich allerdings anspruchsvollen Aufnahmeprüfungen unterziehen, um dort aufgenommen zu werden. So führt die eigentlich auf Egalisierung ausgelegte Berliner Schulpolitik paradoxerweise gerade zu einer höchst elitären Auslese von leistungsstarken Schülern.

Kurioserweise bietet Berlin aus seiner Geschichte heraus gerade mit diesen Gymnasien Spitzenunterricht an, der in seiner besonderen schulischen Ausrichtung im übrigen Bundesgebiet selten ist. Wenn nun 78 Viertklässler die 5. Klasse auf dem «Lycée Francais» beginnen, werden sie Schüler eines der traditionsreichsten Gymnasien der Stadt. Es wurde 1689 von Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg als erstes öffentliches Gymnasium gegründet, nach dem privaten «Grauen Kloster» der evangelischen Kirche 1574, vor allem um aus Frankreich emigrierende Hugenotten anzuziehen.

Der französische Co-Direktor und 30 Lehrer im französischen Staatsdienst sorgen für eine absolute Bilingualität der Schüler beim Abschluss – durch ein französisches Bac und ein deutsches Abitur. Die deutsche Schulleiterin Frau Jansen sagt, sie sei immer begeistert zu sehen, wie selbstverständlich die deutschen, französischen, arabischen und afrikanischen Schüler hier Multikulturalität gemeinsam erführen und lebten.

Einzig in Deutschland ist auch das mit 450 Schülern kleine jüdische Gymnasium Moses Mendelsohn. In dem früheren Berliner jüdischen Viertel gelegen, geht es auf die Gründungsidee des jüdischen Berliner Aufklärers und Namenspatrons zurück. Aber auch das katholische 1956 gegründete Canisius-Kolleg, eines der drei vom Jesuitenorden getragenen Gymnasien in Deutschland, erfreut sich grosser Beliebtheit. Und die Abgänger des Musikgymnasiums Philipp Emanuel Bach erlangen nach der Musikausbildung einen Studienplatz an den besten deutschen und internationalen Musikhochschulen.

 

Boomende Privatschulen


Die Leistungen von diesen bundesweit besonderen Berliner Gymnasien tauchen in keiner Statistik und keinem Ländervergleich auf – auch weil sie dem offiziösen Anspruch auf «Chancengleichheit» Hohn sprechen. Wenn bundesweit mittlerweile 40,2 Prozent eines Jahrgangs Abitur machen und deutsche Bildungspolitiker stolz verkünden, dass sich damit die Zahl der Abiturienten gegenüber der Elterngeneration verdoppelt habe, ist es kein Wunder, wenn sich leistungsstarke Schüler auf diese Nischen stürzen.

Der Privatschulsektor in Berlin boomt. Wenn das Abitur zur Massenware wird, wollen und müssen sich Schüler zusätzlich qualifizieren. Dazu haben die Kinder mit gutem Bildungshintergrund und aus sozial und finanziell stabilen Verhältnissen bessere Möglichkeiten als die anderen. Was daher einst als grosse bundesdeutsche Bildungsoffensive zur Chancengleichheit begann, hat zu einer erhöhten Chancenungleichheit geführt. Nicht umsonst weist jede Pisa-Studie nach, dass noch immer in keinem anderen Land Europas der Bildungserfolg der Schüler so abhängig vom Bildungshintergrund der Eltern ist wie in Deutschland.


Nota.

Der Autor hat von progressiver Schulpolitik nichts, aber auch gar nichts verstanden. Die Privaten erlauben Ausnahmen von der Gleichmacherei und fördern dadurch den Elitismus? Dann muss man sie eben verbieten, null problemo.
JE

Montag, 15. September 2014

Leviathan ist ganz bei uns.

 

Zahl der Erzieher steigt sprunghaft an, überschreibt die FAZ einen Beitrag in ihrer heutigen Ausgabe. Damit mehr Frauen arbeiten gehen, wird die Kinderbetreuung ausgebaut - mit Arbeitsplätzen, die wiederum zu rund 90% von Frauen besetzt werden. Natürlich alles im besten Interesse der Kinder, was glauben Sie! Unternehmerverbände, Gewerkschaften, Feministinnen, korrekte Politiker und die Erziehungswissenschaft sowieso, sie alle ziehen fest am selben Strang, da blieb der Erfolg nicht aus:
 
"Arbeitslose Erzieher gibt es kaum. Der Arbeitsmarkt ist ausgeschöpft: Nur knapp 6 600 ausgebildete Erzieher waren 2013 arbeitslos gemeldet. Die Anzahl an Fachschulen für Sozialpädagogik, die Erzieherinnen und Erzieher ausbilden, hat sich laut Bericht in den vergangenen 20 Jahren nahezu verdoppelt. Die Zahl der Absolventinnen und Absolventen ist bis 2011/12 um 18 Prozent auf 21 000 gestiegen. Für 2014/15 könne damit gerechnet werden, dass knapp 28 000 Erzieherinnen und Erzieher ihre Ausbildung abschließen - ein Höchststand."


Mögen die Größeren sich noch sträuben, auch noch ihren Nachmittag "verschränkt" verschulen zu lassen, sind die ganz Kleinen - der Beitrag befasst sich hauptsätzlich mit dem Ausbau der Krippenplätze - schon längst in Leviathans Schoß eingekehrt, und wenn künftige Generationen erst daran gewöhnt sind, Rundum- betreuung von der Krippe bis zur Bahre als die Norm anzusehen, wird die Ganztagsschule als die endlich gefundene Naturform der Kindheit des Menschen erscheinen.



Donnerstag, 11. September 2014

Zu viel Schule macht kurzsichtig.

 
aus DiePresse.com, Wien,  

Kurzsichtigkeit ist eine Bildungskrankheit
Lesen schadet also doch den Augen: Wer viele Jahre zur Schule geht, wird mit höherer Wahrscheinlichkeit kurzsichtig. Vererbung ist nur sekundär.

Wer länger lernt, braucht eine stärkere Brille - zu dieser Schlussfolgerung kommt eine neue Studie der Universitätsmedizin Mainz. Was der Volksmund schon lange wusste, ist nun also wissenschaftlich belegt. Ein hoher Bildungsgrad und viele Schuljahre gehen mit häufigerer und stärkerer Kurzsichtigkeit einher, berichten Wissenschafter in der Fachzeitschrift "Ophthalmology". 

Mögliche Ursachen seien Lesen, der Blick auf den Computer und ein Mangel an Tageslicht.

Die Mainzer Forscher untersuchten im Rahmen der Gutenberg-Gesundheitsstudie die Sehstärke von 4658 Menschen im Alter von 35 bis 74 Jahren. Dabei erwiesen sich mehr als die Hälfte der Hochschulabsolventen als kurzsichtig, während bei den Probanden ohne höhere Schulbildung nur jeder Vierte von der Sehschwäche betroffen war.

Stundenlanges Lesen schadet den Augen

"Ursache dafür ist vermutlich die 'Naharbeit', die den Alltag von Studierenden bestimmt", sagte der Direktor der Mainzer Augenklinik und Initiator der Gutenberg-Studie, Norbert Pfeiffer. "Laut aktueller Studienlage tragen stundenlanges Lesen, Fernsehen und Arbeiten am Computer zur Verschlechterung des Sehvermögens bei."

Die Anzahl der Kurzsichtigen in der Bevölkerung erhöhte sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte erheblich: In allen Industrienationen weltweit ist mindestens ein Drittel der Bevölkerung kurzsichtig, in manchen Großstädten Asiens sind es sogar fast 90 Prozent. Die Gründe für diesen Anstieg sind noch nicht eindeutig geklärt. "Studien haben jedoch gezeigt, dass Umweltfaktoren wie Bildung, Beruf und Freizeitgestaltung eine entscheidende Rolle spielen", sagte Christian Ohrloff, Pressesprecher der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG).

Vererbung ist nur sekundär

Dass Kurzsichtigkeit - fachsprachlich Myopie genannt - überwiegend erblich und damit angeboren ist, bestätigen auch die aktuellen Ergebnisse nicht. "Die rapide Zunahme der Myopie, vor allem in Asien, lässt sich nicht mit genetischen Faktoren erklären", sagte Alireza Mirshahi, der die Untersuchung in Mainz geleitet hat. "Wir haben 45 verschiedene genetische Faktoren getestet, aber im Vergleich zum Bildungsstand hatten sie einen viel geringeren Einfluss." Vieles spreche dafür, dass Umwelteinflüsse die Entstehung der Kurzsichtigkeit fördern.

Die Ursache für die Fehlsichtigkeit liegt in einem zu langen Augapfel: Die einfallenden Lichtstrahlen bilden ihren Brennpunkt nicht auf der Netzhaut, sondern davor. Dadurch erscheinen ferne Gegenstände verschwommen. Aber nicht nur das Sehen wird für die Betroffenen zum Problem. Schon mäßige Kurzsichtigkeit von minus 1 bis minus 3 Dioptrien verdoppelt das Risiko für Folgeerkrankungen wie Netzhautablösung, Grünen oder Grauen Star.

Was hilft? Helles Tageslicht

Alle Versuche, das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit mit Brillen oder Medikamenten zu heilen oder aufzuhalten, zeigen bisher keinen Erfolg. Aus aktuellen Studien geht jedoch hervor, dass Schüler, die viel Zeit im Freien verbringen, seltener von Kurzsichtigkeit betroffen sind als Stubenhocker.

"Helles Tageslicht scheint sich regulierend auf das Wachstum der Augen auszuwirken", meinte Ohrloff. Auch die Autoren der Mainzer Studie empfehlen Frischluft zur Vorsorge: Da Schüler und Studierende einem höheren Risiko ausgesetzt sind, kurzsichtig zu werden, sei es sicherlich sinnvoll, dass sie dem vorbeugen, indem sie mehr Zeit im Freien verbringen.

(APA)


Nota.
Haben Sie's verstanden? Für den klaren Blick: weniger Schule und mehr Bewegung im Freien. Und ich bin sicher: Wenn man es untersuchen würde, würde sich herausstellen: Zu langes Sitzen, namentlich während des Wachstums, fördert Hüft- und Wirbelsäulenschäden. Und zu wenig Laufen führt zu defomierten Füßen...
JE