Mittwoch, 4. Dezember 2013

Pisa nicht zu ernst nehmen.

aus Der Standard, Wien, 4. 12. 2013                                                                         Harry Hautumm, pixelio.de

"Unterricht steht und fällt mit dem Lehrer" 

Interview | Lisa Nimmervoll 

Mathematiker Rudolf Taschner über das, was Pisa misst und was nicht, die Rechenkünste seiner Studentinnen, die Tücken der Statistik und den Erfolgsverdacht "Drill for Pisa"

STANDARD: Die österreichischen Schüler rechnen heute so gut wie vor zehn Jahren. Ist das gut?
Nach dem boykottbedingten Absturz 2009 sind sie wieder auf dem Niveau von 2000, 2003, 2006 bzw. darunter. Alles paletti bei Pisa?
 
Taschner: Es sind ja nicht die gleichen Schüler wie jene vor zehn Jahren. Und die Aufgaben sind nicht die gleichen. Ich bezweifle, dass man die Niveaus der Rechenfertigkeiten so locker vergleichen kann. Allzu ernst nehmen sollte man Pisa nicht. Da ist es viel wichtiger, dass via Pisa der Stellenwert der Mathematik in Österreich gewonnen hat. ...

STANDARD: Die unangefochtenen Siegerregionen liegen in Südostasien: Schanghai, Hongkong, Singapur, Taipeh, Korea, Macau, Japan. Da heißt es schnell: Drill for Pisa. Was sagen Sie zu der Dominanz?

Taschner: Natürlich wird es den Drill für Pisa geben, vor allem in den genannten Ländern. Bei unserer Aktion "Ausgerechnet Pisa - Österreich zeigt, was es kann" im math.space haben wir uns dazu mit Sicherheit nicht verleiten lassen. Dann wäre nämlich Pisa im Vordergrund gestanden und nicht die Mathematik. Mit einem mathematischen Blick den Gehalt einer Pisa-Aufgabe zu erfassen ist das Entscheidende. Wenn dabei ein Rechenfehler passiert, mag das schlecht fürs Pisa-Ranking sein, aber sonst ist es bedeutungslos. Die Dominanz der südostasiatischen Pisa-Sieger sollte erst dann Kopfzerbrechen bereiten, wenn damit eine Dominanz im kreativen Denken, in der Originalität und der Gedankentiefe einherginge - aber all dies kann Pisa ganz und gar nicht messen.

STANDARD: Was leistet die Pisa-Studie im Bereich Mathematik? Sie kennen die Beispiele. Die OECD betont ja immer, die Alltagsfähigkeit der Kompetenzen zu messen.

Taschner: Einige der mir bekannten Beispiele sind hervorragend, andere eher schlichter Natur und wieder andere, freundlich formuliert, eigenartig. Pisa misst, wie sich die Getesteten den Beispielen stellen. Mehr nicht. Also nur sehr bedingt mathematische Fertigkeiten und kaum mathematisches Wissen. Trotzdem: Auch die Pisa-Beispiele öffnen ein Tor zur Mathematik.

STANDARD: Ihr wichtigster Rat für guten Mathematikunterricht?

Taschner: Er steht und fällt mit der Persönlichkeit des Lehrers: eine Persönlichkeit, die bei jedem der ihr anvertrauten jungen Menschen die Begabung zum Fach möglichst gut zur Entfaltung zu bringen vermag - und die nicht nur viel von Mathematik weiß, sondern von der man auch überzeugt ist, dass sie von der Mathematik durchdrungen ist.

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