Wer mittags heim will, soll in Privatschule
Wiens Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (SPÖ) will eine verpflichtende Ganztagsschule für alle Kinder.
Von Julia Neuhauser und Bernadette Bayrhammer
Die Presse: Die Unterrichtsministerin stellt das Mitspracherecht von Eltern und Lehrern bei der Ganztagsschule infrage. So soll ein rascherer Ausbau möglich werden. Der richtige Weg?
Susanne Brandsteidl: Ich kann sagen, dass wir schon jetzt einen starken Druck haben, mehr Ganztagsplätze zur Verfügung zu stellen. Es gibt derzeit zu wenige Plätze.
Sie haben mehrfach gesagt, dass Sie ohnehin dafür wären, dass alle Kinder ganztägig in der Schule sein sollen. Demnach bräuchte es ja überhaupt keine Mitsprache.
Genau. Das politische Ziel ist eine ganztägige Schule für alle Kinder, wie es sie in vielen anderen europäischen Ländern gibt, etwa in Frankreich und Skandinavien. Aber nicht eine, in der die Kinder – wie die ÖVP sagt – von acht bis 16 Uhr in der Klasse sitzen, sondern wo sie eine gute Mischung von Unterricht, Sport und kreativen Angeboten haben und ein Mittagessen.
Was erwarten Sie sich davon?
Zum einen eine Entlastung: Die Eltern sollen weder Hausübung machen noch Nachhilfe geben. Und zum anderen einen sozialen Ausgleich, denn das ist ja auch Aufgabe der Schule. Manche Eltern haben die Möglichkeit, den Kindern ein warmes Mittagessen zu servieren und sich mit den Kindern am Nachmittag zusammenzusetzen – aber nicht alle. Es sollen mit einer ganztägigen Schule auch Möglichkeiten geschaffen werden, die viele Kinder sonst nicht hätten.
Ob sich die Eltern eine Ganztagespflicht für alle vorstellen können, ist fraglich: Eine aktuelle Umfrage der Wiener ÖVP zeigt beispielsweise, dass drei Viertel dagegen sind.
In der Wiener Volksbefragung gab es eine überwiegende Mehrheit für die Ganztagsschule. Das wird ernst genommen.
Es ging dabei aber nicht um eine Ganztagsschule, die verpflichtend jedes Kind besuchen muss.
Das stimmt. Die Zustimmung galt der Ganztagsschule als auszubauender Form insgesamt. Mein Ziel ist die Ganztagsschule als Regelschule. Und die Halbtagsschule soll in Form von Privatschulen ergänzend angeboten werden.
Jene Eltern, die ihren Kindern ein warmes Mittagessen servieren können, die sich kümmern können und wollen, müssten laut Ihrer Vision also in die Privatschule ausweichen?
Zum Beispiel. Diese Problematik würde sich auch in anderen Ländern so darstellen.
Vor nicht allzu langer Zeit wurden Sie auch mit der Idee zitiert, eine Kindergartenpflicht ab dem ersten Geburtstag einführen zu wollen.
Da wurde ich falsch verstanden. Ich bin für ein ausreichendes Angebot ab diesem Alter. Auch hier muss man aber sagen: Bevor ein Kind zu Hause nicht gefördert wird, ist es doch besser, es in eine Institution zu geben, die das kann. Mamas sind nicht automatisch die besten Erzieher.
Für viele Eltern ist so eine Aussage ein Affront.
Es gibt viele Eltern, die es gut können, aber auch andere. Die sich nicht mit den Kindern auseinandersetzen, sich nicht mit ihnen beschäftigen. Familien, in denen die sozialen Verhältnisse so sind, dass es sehr schwierig ist, sich der Bildung zu widmen. Das Problem ist übrigens nicht, wo ein Kind geboren ist und auch nicht primär, welche Sprache es spricht. Die Frage ist: Wie werden Kinder gefördert und wie entwickeln sie sich.
Nota.
Freie Zeit ist was für Kinder von Reichen. Die Kinder der gewöhnlichen Leute werden immer noch am besten vom Staatsorgan gefördert. Das weiß am besten, was gut für die ist.
J.E.
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