aus Die Presse, Wien,
„Ein Mann mit Kind wird oft als Täter gesehen“
Forscher Bernhard J. Koch über die „Hausfrauenkultur im Kindergarten“ und männliche Pädagogen als „Magnete auf zwei Beinen“.
Interview von
Die Presse: Derzeit sind unter den Kindergartenpädagogen weniger als zwei Prozent männlich. Wann werden es 20 Prozent sein?
Bernhard J. Koch: In Norwegen hat man vor 20 Jahren begonnen, Maßnahmen zur Erhöhung des Männeranteils zu setzen. Man wollte 20 Prozent erreichen. Heute sind es zehn. Insofern glaube ich ehrlich gesagt nicht daran, dass der Männeranteil in Kindergärten einmal so hoch wie der Frauenanteil in Führungspositionen sein wird.
Ist das Interesse zu gering?
Studien zeigten, dass sich 20 bis 25 Prozent der männlichen Schüler einen solchen Beruf grundsätzlich vorstellen könnten. Es gibt Potenzial – auch wenn das Interesse der Mädchen freilich viel höher ist.
Weshalb verlieren vorerst interessierte Männer das Interesse?
Die niedrige Bezahlung ist ein Argument – aber nicht das Hauptargument. Es gibt auch viele schlecht bezahlte Männerberufe. Der geringe Männeranteil hat auch damit zu tun, dass der Kindergarten stets von Frauen geprägt wurde. Das sieht man an der Erziehung, an der Einrichtung, am Spielzeug. Manchmal wurde eine Art Hausfrauenkultur in den Kindergarten mitgenommen. Der Kindergarten wurde als Ersatz für das mütterliche Heim gesehen. Davon entfernen sich viele Kindergärten. Aber nicht alle. Grundsätzlich gilt, dass ein Kindergarten, der männliche Symbole hat, für Männer attraktiver ist.
Werden Männer auch von dem vorherrschenden gesellschaftlichen Bild abgeschreckt?
In unseren Köpfen hat Erziehung stark mit Frauen zu tun. Ein Mann mit Kind wird häufig als Täter und gefährliche Person gesehen. Dieses Bild hat Auswirkungen darauf, ob ich mich als Mann für einen derartigen Beruf entscheide.
Es ist wohl nicht hilfreich, dass der Ausbildungsweg in Richtung Kindergarten schon mit 14 Jahren eingeschlagen werden muss.
Für junge Burschen ist das zu früh. Der Männeranteil im Kolleg, in dem Erwachsene zu Kindergartenpädagogen ausgebildet werden, ist deutlich höher. Er liegt bei zehn, in den Bakip-Schulen bei vier Prozent.
Sind Kindergartenpädagoginnen männlichen Kollegen gegenüber aufgeschlossen?
Kindergartenleiterinnen wünschen sich der Studie zufolge fast immer mehr Männer. Aber 40 Prozent sahen Vorbehalte des weiblichen Personals. Manche haben Angst, dass Männer die Arbeitsweise auf den Kopf stellen und dass sie ihnen Führungspositionen wegnehmen.
Wie kann man mehr Männer in diesen Beruf bringen?
So wie es Frauenförderpläne in technischen Berufen gibt, so brauchen wir Männerförderpläne in erzieherischen Berufen. Ein Männeranteil von zehn Prozent könnte das Ziel sein. Dann müssten Kampagnen, die ein positives Bild von Männern mit Kind vermitteln, starten. Außerdem könnte man ein Stipendiensystem für Männer installieren, wie es dieses an Unis für Frauen bereits gibt.
Finanzielle Anreize sind unter den Frauen wohl wenig beliebt.
Stimmt. Aber ich sage: Entweder Förderung für beide Geschlechter in den jeweils unterrepräsentierten Gebieten oder keine. Mit dieser Ansicht bin ich aber recht allein.
Warum braucht es eigentlich männliche Kindergärtner?
Für einen höheren Männeranteil spricht erstens die Gleichstellung. Zweitens glauben wir, dass Männer und Frauen unterschiedlich sind. Männer trauen Kindern mehr zu, sie haben eine andere Haltung zum Thema Risiko usw. und vielleicht auch ein größeres technisches Interesse. Das würde auch zu einer höheren Vielfalt bei den Neigungen und Fähigkeiten der Kinder führen.
Wäre das besonders für Buben wichtig?
Es ist für beide Geschlechter wichtig. Aber unsere Studien haben schon gezeigt, dass insbesondere Buben die männlichen Pädagogen suchen. Möglicherweise auch deshalb, weil es im familiären Umfeld eine Absenz von Männern gibt. In früheren Studien sind Männer deshalb als Magnet auf zwei Beinen bezeichnet worden. Die anfängliche Begeisterung wird mit der Zeit natürlich zur Normalität.
Nota. - Männer? Äh - ja natürlich!
Aber bitte keine männlichen Männer. Sie sollten schon ein bisschen so sein wie wir.
JE
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