aus nzz.ch, 19.10.2016, 15:38 Uhr
«Kinder sollen sich auch langweilen»
Die
meisten Kinderzimmer seien übersät mit Spielsachen, sagt
Erziehungswissenschafterin Margrit Stamm. Diese Reizüberflutung
behindere Kreativität und Spiellust.
Interview von René Donzé
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Jochen Ebmeier
doch nehmen sie ihm etwas Wichtiges weg: frei verfügbare Zeit.
Nota. - Au weia. das lässt ja nichts Gutes ahnen: "Kinder erwerben im Spiel alle Kompetenzen, die sie brauchen, um im schulischen und ausserschulischen Leben zu bestehen. ... Wer als Kind nicht spielen kann, hat später Probleme beim Lernen." Sie sagt es am Schluss ja selber: Sie war früher selber eine Fetischistin der Frühförderung, ganz verhehlen kann sie das noch heute nicht.
Nicht dass das in der Sache falsch ist. Aber es ist nicht, worauf es ankommt. Man kann es beiläufig gelegentlich auch einmal erwähnen, wenn man dasEntwcheidende bereits gesagt hat. Das Entscheidende ist der genetische Zusammenhang zwischen Spiel und Neugier. Spielen ist Experimentieren mit dem Zufall, sagt Novalis. Und das, Frau Stamm, ist nicht nur Menschenkindern, sondern allen Kindern "angeboren".
Für Tierkinder mag darum der Erwerb von Kompetenzen wirklich das Wichtigste am Spiel sein. Doch wir Menschen zeichnen uns vor den Tieren unter anderm dadurch aus, dass Neugier und Spieltrieb das ganze Leben lang erhalten bleiben. Nach 12 000 Jahren Arbeitsgesellschaft, in denen Erwachsenheit eben Nicht-Spielen (und Nicht-mehr-neugierig-Sein) bedeutete, ist diese unsere Besonderheit einigermaßen verblasst, und Frau Stamm wird mir heute sicher zustimmen: Das war ein Pech.
Doch die Arbeitsgesellschaft neigt sich ihrem Ende zu, die mühseligen ausführenden, repetitiven und anstumpfenden Arbeiten erledigen demnächst die Maschinen, und wenn wir Erwachsenen nicht in Katatonie verbleichen wollen, werden wir uns unsere küntigen Beschäftigungen in Neugier und Spiel suchen müssen.
JE
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