Soziologie
„Tiger Mother“ hat doch recht
Die
Kinder eingewanderter Asiaten lassen in US-Schulen die anderen hinter
sich. Das liegt nicht an höherer kognitiver Leistungsfähigkeit, es liegt
an der Arbeitsethik.
Als „Tiger Mother“ wurde sie 2011 mit einem Schlag bekannt, die US-Chinesin Amy Chua, bzw. wurde sie es mit zwei Schlägen: Erst publizierte sie im „Wall Street Journal“ „Why Chinese Mothers are Superior“, dann legte sie ein Buch nach, „Battle Hymn of the Tiger Mother“, darin legte sie ausführlicher dar, wie Chinesinnen aus ihren Kindern Mathematikcracks und Musikwunderkinder machen. Mit Dauerdruck: „Chinesische Eltern drillen ihre Kinder jeden Tag. Wenn das Kind keine perfekten Noten nach Hause bringt, hat es einfach nicht hart genug gearbeitet“, fasste Chua in einem Interview zusammen: „Westliche Eltern werden ihr Kind für eine Eins minus loben. Die chinesische Mutter wird nach Luft schnappen und fragen, was falschgelaufen ist.“
Das wurde heftig debattiert, aber Chua konnte ihren Erfolg vorzeigen: Ihre Tochter hatte es auf die Eliteuniversität Harvard geschafft. Ein ganz so überwältigendes Wunder war das allerdings nicht: Chua und ihr Mann sind Professoren in Yale, Chuas Vater lehrte in Berkeley, da fehlte es für die Karriere der Tochter an nichts. Ein viel größeres Mirakel ist da schon, dass neben Chuas Tochter auch Kinder eingewanderter Vietnamesen an die akademische Spitze drängen. Deren Eltern sind weder reich noch gebildet, im Gegenteil, sie sind ohne Geld und Kenntnis der englischen Sprache gekommen, oft als Boat People nach dem US-Fiasko in Vietnam.
„The Asian thing“
Wie geht das zu, haben die Asiaten es im Kopf, und was haben sie da? Die Vermutung einer intellektuellen Überlegenheit ist schon zum Klischee geronnen – „Frag doch den Inder!“ –, aber sie bestätigt sich in jedem PISA-Test: Singapur, China, Japan und Südkorea machen die Spitzenplätze untereinander aus. Das ist international nicht so leicht zu vergleichen – es geht um ganze Gesellschafts- und Erziehungssysteme –, aber auch dort, wo die Kulturen zusammenkommen, in den USA vor allem, zeigt sich das gleiche Bild: Auf den Schulen sind Asiaten anderen US-Bürgern überlegen, das Phänomen hat auch einen Namen, „The Asien thing“. Beim Eintritt in die Schule sind die Leistungen weißer und asiatischer US-Kinder gleich, ab der fünften Klasse setzen asiatische Kinder sich ab, in der zehnten ist der Unterschied auf dem Höhepunkt, das liest Soziologe Yu Xie, University of Michigan und Peking University, aus US-Langzeitstudien, in denen Lehrer die Leistungen ihrer Schüler bewerten (Pnas, 5. 5.).
Allerdings hat Yu noch einen zweiten Datensatz, den der kognitiven Leistungsfähigkeit. Und in dem unterscheiden sich weiße und asiatische Kinder nicht bzw. nur gering: Angeboren ist es also nicht, das „Asian thing“. Vom Sozioökonomischen kommt es auch nicht. Woher dann? Yu erwägt zwei Faktoren, der eine ist die Einwanderung selbst: Wer seine Heimat verlässt oder verlassen muss, hofft auf Besseres, zumindest für die Kinder, und tut dafür, was er kann. Aber das erklärt wenig: Min Zhou (Singapur) hat das „Asian thing“ auch in Armenvierteln von Los Angeles gefunden, dort leben Vietnamesen neben Latinos, Letzteren hat der Akt der Einwanderung keinen Leistungsschub gegeben. Asiaten schon, das zeigt sich auch in den intellektuellen Zentren der US-Westküste, in Silicon Valley etwa denken Asiaten vor (Rac Soc Probl 6, S. 38).
Und zwar die unterschiedlichsten, nicht nur die, deren Selbstdisziplin man auf Konfuzius zurückführen könnte – das ist ein klassischer Erklärungsversuch –, auch Einwanderer aus den Philippinen sind dabei, auf sie hatte Konfuzius keinerlei Einfluss. Was haben sie alle gemeinsam, gibt es irgendein Integral asiatischer Kulturen? Fragen in dieser Richtung waren in den USA eher verpönt, seit Daniel Moynihan 1965 den Report „The Negro Family“ veröffentlichte: Darin sah er die US-Schwarzen in einer „Kultur der Armut“ verfangen, einem „pathologischen Gewirr“, das sich selbst perpetuiere und seine Grundlage in schwachen Bindungen innerhalb der Familien habe.
Damit wollte die Mehrheit der US-Forscher nichts zu tun haben, sie setzten auf sozioökonomische Erklärungen. Aber die fassen das „Asian thing“ eben nicht, das wird doch eher von den Tigermüttern herangezogen, sie sorgen für die Disziplin und die Werte, die es im Verbund erlauben, aus gleicher Leistungsfähigkeit mehr Leistung herauszuholen: im Glauben, dass nichts angeboren ist, sondern alles erworben/erarbeitet werden kann. Und verbreitet wird er überall gleich, Zhou hat bei US-Vietnamesen Sätze notiert, die bei Chua stehen könnten: „A is for average, and B is Asian fail.“
„A is for Average, and B is Asian fail“
Natürlich sind es nicht nur die Mütter, es sind die engen Verbände, in den Familien wie über sie hinaus, asiatische Immigranten werden von Netzwerken empfangen, die beim Überwinden von Hürden helfen, sprachlichen, bürokratischen. Aber der Erfolg hat seinen Preis: Wer es schafft, ist dennoch weniger mit sich zufrieden als weiße Mitschüler. Und wer der asiatischen Arbeitsethik nicht folgen kann, gilt als Versager und sieht sich auch so. Und das alles ist nicht von Dauer, es wird eingeschmolzen im Tiegel der USA: Der Effekt zeigt sich nur in den ersten beiden Generationen nach der Einwanderung.
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