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aus Tagesspiegel.de, 15. 5. 2019
Ganztagsbetreuung würde Milliarden kosten
In Deutschland fehlen hunderttausende Hortplätze für Grundschüler
Bei der Ganztagsbetreuung gibt es regional große Unterschiede. Bisher gibt es nur für 48 Prozent ein entsprechendes Angebot.
Laut einer Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) muss der Staat Milliarden in die Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern
investieren. Wie das Deutsche Jugendinstitut (DJI) in der am Mittwoch
veröffentlichten Untersuchung berechnete, fehlen bis 2025 zwischen
322.000 und 665.000 neue Plätze, um den geplanten Rechtsanspruch
umzusetzen. Dafür wären je nach Szenario 1,9 Milliarden Euro bis 3,9
Milliarden Euro Investitionen nötig.
Ab
dem ersten Lebensjahr bis zum Schuleintritt haben Eltern bereits heute
einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Längst nicht alle Eltern
in Deutschland haben aber die Möglichkeit, auch ihre Grundschulkinder
in Ganztagsschule oder Hort unterzubringen. „Nur einem Teil der Eltern
gelingt es bislang, ihre Betreuungswünsche zufriedenstellend zu
erfüllen“, erklärte DJI-Direktor Thomas Rauschenbach. „Die
Unterversorgung ist regional unterschiedlich.“
Ganztagsbetreuung soll auch die Chancengleichheit erhöhen
Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD ist ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder vorgesehen. Damit soll nicht nur die Vereinbarkeit von Familie und Beruf leichter werden, sondern es sollen auch alle Kinder die gleichen Bildungschancen bekommen.
Die
DJI-Forscher befragten für ihre Berechnungen zunächst die Eltern nach
ihren Wünschen. „Der von den Eltern genannte Bedarf an einem
Ganztagsbetreuungsangebot im Grundschulalter lag im Jahr 2017 bei 71
Prozent“, erklärte Studienleiter Christian Alt. Derzeit gebe es aber nur
für 48 Prozent ein entsprechendes Ganztagsangebot. Bis zum Jahr 2025
solle diese Lücke geschlossen werden.
Anschließend
ermittelten die Forscher, dass es in Deutschland rund 2,8 Millionen
Kinder im Grundschulalter zwischen 6,5 und 10,5 Jahren gibt. Sie nahmen
an, dass die Eltern ihre Kinder an fünf Tagen in der Woche je acht
Stunden betreut haben wollen. Von diesen 40 Wochenstunden würden derzeit
21,2 Stunden durch Unterricht abgedeckt, also müssten die Kinder 18,8
Stunden pro Woche zusätzlich betreut werden. Dafür ermittelten die
Forscher schließlich die Personalkosten von Fachkräften sowie die Kosten
für die Einrichtung der Plätze.
Die jährlichen Betriebskosten betragen bis zu 2,6 Milliarden
Wenn
alle aktuellen Elternwünsche in Deutschland durch ein entsprechendes
Angebot abgedeckt werden sollten, wären laut DJI 665.000 zusätzliche
Plätze nötig. Die Betriebskosten lägen jährlich bei 2,6 Milliarden Euro.
Da ein Teil der Eltern nur eine verlässliche Betreuung für die
Zeit bis maximal 14:30 Uhr, also nur eine kurze Übermittagsbetreuung
wünscht, müssten in diesem Modell bis 2025 nur etwa 322.000 zusätzliche
Ganztagsplätze geschaffen werden. Für den Betrieb wären dann nur 1,3
Milliarden Euro jährlich nötig. (AFP)
Nota. -
Sie nahmen
an, dass die Eltern ihre Kinder an fünf Tagen in der Woche je acht
Stunden betreut haben wollen. Sie nahmen - hätten Sie's erraten? - das größtmögliche Volumen an. Weiter unten erfahren wir beiläufig, dass "ein Teil der Eltern" nur eine Kinderbetreuung bis halb Drei wünscht, was angesichts der ohnehin schon üblichen Schulzeiten gar keine Verlängerung bedeutete. Na ein Glück aber auch! In der Regel sympathisieren Eltern ja mit ihren Kindern, und so wollen sie ihnen den freien Nachmittag, an den sie sich selbst noch gern erinnern, nicht vorenthalten - und wenn die Interessenverwalter von Industrie und pädagogischer Zunft noch so laut ins Horn stoßen.
Dass ihre Kinder irgendeinen Vorteil von der Ganztagsverschulung hätten, glauben sie nicht und versucht ihnen auch niemand mehr weiszumachen. Dass die Schulhöfe ein geeigneterer Ort wären, "soziale Ver- haltensweisen einzuüben", als die Straße, Parks und Spielplätze, traut sich erst recht keiner mehr zu sagen. Übrig bleibt - da mussten sie aber suchen! - die angebliche "Chancengleichheit". Gemeint ist: Wenn man die Türkenkinder auch am Nachmittag von ihren bildungsfernen Familien fernhält, weichen auf die Dauer vielleicht die "Parallelgesellschaften" auf.
Das ist etwas, was nur den Schulexperten in den Ministerien einfallen kann. Einer, der täglich vor der Klasse steht, kommt nicht auf so eine Schnapsidee. Aber dass dabei auch alle andern Kinder von ihren Familien ferngehalten würden und auch noch am Nachmittag den Pädagogen als Erwerbsmaterial zur Verfügung stünden, nimmt er gern in Kauf.
JE
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