Donnerstag, 29. September 2016

Sind die Pädagogen besser als ihre Standesvertreter?

aus Der Standard, Wien, 21. September 2016, 16:46


Lehrergewerkschaft wehrt sich
Das IHS schlägt vor, dass die Lehrergewerkschaft nicht mehr die Bildungsreform verhandelt. Gewerkschafter stufen das als Blödsinn ein

 
Wien – Paul Kimberger, Lehrergewerkschafter für Pflichtschulen sagt, dass er "nicht jeden Blödsinn" kommentieren wolle. Sein Kollege, AHS-Gewerkschafter Eckehard Quin, sieht das ähnlich: "Ich muss nicht zu jedem Schwachsinn etwas sagen."

In einem Positionspapier zur Bildungsreform hat der Politologe und Pädagoge Lorenz Lassnigg vom Institut für Höhere Studien (IHS) vorgeschlagen, dass sich die Personalvertretung der Lehrer künftig nur mehr um Besoldungsrecht und Arbeitszeiten kümmern solle.

Innovative Konzepte für die Schule, schlägt Lassnig vor, sollen die Lehrer an den Schulstandorten gemeinsam mit Bildungsforschern ausarbeiten. Die Begründung: Die Lehrergewerkschaft bremse Innovationen, während die Lehrer an den Schulen oft sehr engagiert seien und genau wüssten, wo die Probleme liegen.

Lehrergewerkschafter Kimberger verweist im Gespräch mit dem STANDARD lediglich darauf, dass die Personalvertretung vom Gesetzgeber festgelegt ist. "Wir werden uns das Recht zur Vertretung nicht nehmen lassen", sagt der Christgewerkschafter und fügt hinzu: "Wir lassen uns sicher nicht von außen sagen, wozu wir uns äußern und wozu nicht." Mehr habe er dazu nicht zu sagen.

Hohe Wahlbeteiligung

Quin verweist auf die hohe Wahlbeteiligung von rund achtzig Prozent bei den Personalvertretungswahlen im öffentlichen Dienst. Die Interessen nicht zu vertreten, könne man vielleicht der Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH), der Arbeiterkammer oder Wirtschaftskammer vorwerfen, aber nicht der Lehrergewerkschaft: "Keine andere Vertretung ist mit einer so hohen Legitimität ausgestattet." Lassnigg sei wohl entweder unwissend, oder seine Aussagen seien eine "böswillige Unterstellung", sagt Quin gegenüber dem STANDARD.

Auch den Vorwurf der Innovationsfeindlichkeit will Quin nicht auf sich sitzen lassen. Die Gewerkschaft habe sich schon vor der Einführung der Zentralmatura für eine teilweise Standardisierung der Reifeprüfung ausgesprochen. Auch für mehr Autonomie beim Lehrplan habe man sich eingesetzt. Natürlich lehne die Gewerkschaft auch neue Vorschläge ab, dies dürfe man ihr aber nicht absprechen, denn: "Nicht jede Neuerung ist eine Verbesserung."
 
Auch Schüler skeptisch

Unterstützung bekommen die Gewerkschafter von Schülerseite. Bundesschulsprecher Maximilian Gnesda sieht Lassniggs Vorschlag kritisch. "Schon jetzt sind die direkt von den Reformen Betroffenen kaum in die Verhandlungen eingebunden." Auch von der Idee, statt der Gewerkschafter die Lehrer an den Schulen einzubinden, hält er nicht viel. "Unsere Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft war immer sehr gut."  


Nota. - Haben Sie das gelesen?! Da sagt einer - Erziehungswissenschaftler; das ist ein Problem für sich -, die Personalvertretungen der Lehrer sollten sich künftig nur noch um Arbeitszeit und Besoldung kümmern; über pädagogische Sachfragen solle man mit den Lehrern selber reden. Und was antwortet der Gewerk- schaftsfunktionär? Für Interessenvertretung sei nur er zuständig, er könne es auch am besten. Dass es sich bei pädagogischen Sachfragen nicht um die Vertretung der Standesinteressen von Lehrern handelt, sonderen - unmittelbar - um die Vertretung der Interessen der Schüler und - auf weite Sicht - die Vertretung der Interessen des Gemeinwesens, das fällt ihm so ganz und gar nicht auf, dass er nicht einmal eine rhetorische Floskel dafür übrig hat. Als hätte er unterstreichen wollen, wie sehr der Wissenschaftler doch Recht hat!

Ob aber von den Lehrern selber mehr zu erwarten ist, steht leider in den Sternen. Auf Versammlungen und in Plauderrunden bekommt man die klügsten Dinge zu hören. Doch wenn Sie dann Nägel mit Köpfen machen wollen, finden sich immer tausend Gründe, die Sache doch diesmal noch aufzuschieben; zum Beispiel weil man erst einen älteren Kollegen noch 'mitnehmen' müsse...

Den Atem vollends verschlägt aber der Bundesschulsprecher. Der ist schon so gründlich Gremienfuzzi, dass er sich im Geist längst auf die andere Seite hinübergewachsen fühlt - als Lehrergewerkschafter in spe. Versprecht Euch bloß nix von der nächsten Generation!
JE

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