Freitag, 30. März 2018

Eine darstellende Kunst.

André Derain, Arlequin et Pierrot
Kommentar zu Performing Art.

Als ich beim ersten Überfliegen vom "Scheitern" gelesen habe, war mir mulmig. Aber beim genaueren Hinsehen hat er die Sache treffend entmystifiziert. Alle Leute haben in allen Berufen mal Erfolg, mal scheitern sie, wieso sollte das bei Pädagogen anders sein? Aber sie neigen eben zum Dramatisieren und Sich-in-Szene-setzen. Und gehen sich dabei willig auf den eigenen Leim, denn pompös und knallig scheitert vor allem der, der sein Maß nicht kennt; der sich überschätzt hat, der von "der Gesellschaft" mehr Zucker erwartet hat, und vor allem: der von den Kindern erwartet hat, dass sie in sein Bild passen. 

Lieber Herr Zöllner, Supervision oder gar Sozialpädagogik (davon verstehe ich was) helfen an der Schule gar nicht weiter. Das Kreuz ist, dass der Lehrer immer allein vor der Klasse steht, wenn's sein muss vor fünf verschiednen Klassen nacheinander. Er hat keine Mitspieler, auch beim Freundschaftsspiel trifft er immer nur auf die Spieler der gegnerischen Mannschaft.

Und da kommen wir zu dem wichtigsten Punkt, den Herr Z. löblicherweise angesprochen hat, aber leider nur nebenher in einer Metapher. Ich habe vor Jahrzehnten meine sozialpädagogischen KollegInnen schockiert mit dem Satz, Pädagogik sei zu 50% Komödie. Das meinte und meine ich aber völlig ernst und wäre froh, wenn ich das einmal ernsthaft diskutieren könnte. Eins wird doch niemand bestreiten wollen: Das ist eine performing art, da kann man nicht unterscheiden zwischen der 'Rolle' und der 'Person'. Nicht das, was er darbietet, ist sein 'Werk', sondern die Darbietung selbst, sein Auftritt mit Haut und Haar. 

Jeden Tag immer wieder neu, ohne Manuskript, ohne Regieanweisung, vor immer wieder neuem und gar nicht immer neugierigem, weil unfreiwilligem Publikum. 
 
Für die Sozialpädagogik hat mir seither die Commedia dell'arte vorgeschwebt, das ist ein Stegreifspiel mit verteilten Rollen, "Charaktermasken", die wissen, was für einen Typ sie darzustellen haben, alles andere improvisieren sie je nach Situation. Der Witz dabei ist freilich, dass sie auf der Bühne nicht bloß agieren, sondern interagieren und sich Stichworte zuwerfen, da kann das Publikum ruhig mitspielen, die Truppe ist selbst gespannt, wie es diesmal ausgeht; und notfalls, wenn die Situation allzu verfahren ist, hat man als Joker immer noch Arlecchino auf der Hinterhand, meist der impresario selbst, der lässt dann den Knoten platzen.
 

So habe ich mir das gedacht, mich aber gehütet, davon zu erzählen, ach das hätte wieder ein Geschrei gegeben! Nun habe ich dieses Fach hinter mir, und ich rede an dieser Stelle über die Schule und über Lehrer. Da gibt es keine Truppe, keiner wirft mal ein Stichwort zu, eher stellen sie einander ein Bein, keiner, dem man außer Puste mal die Führung überlassen kann, und ganz bestimmt keiner, der den Arlecchino macht, jedenfalls nicht wissentlich.
 

Lange Rede kurzer Sinn: 'Erziehen' ist kein Beruf, dazu ist diese 'Tätigkeit' zu unspezifisch. Aber weil es in unseren Gesellschaften pädagogische Institutionen gibt, kann man daraus einen Beruf machen. Absichtsvoll. Mit andern Worten, mehr als in einem jeden andern Beruf mit seiner spezifischen  Tätigkeit muss man sich dabei über die eigene Absicht klarwerden. 
 

- Ach, mit welcher Absicht "soll man" denn erziehen zu seinem Beruf machen wollen?
 

Die Frage ist wie ein Pflasterstein im Froschtümpel. Nach einer spezifischen Absicht darf man nicht suchen. Nicht: Das will ich tun, sondern Der will ich sein. Wer sich zum Künstler berufen fühlt, zum Fachmann fürs Ungefähre und Unvorhergesehene, der darf erziehen zu seinem Beruf machen. Alle andern sollten sich's nochmal überlegen.

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