Montag, 10. März 2014

Von der Armut des Alleinerziehens.

Joujou / pixelio.de
Kinder Alleinerziehender leben fünf Mal häufiger von Hartz IV als Kinder in Paarfamilien
 
Ute Friedrich  
Pressestelle  
Bertelsmann Stiftung 

10.03.2014 08:10

39 Prozent der Alleinerziehenden beziehen staatliche Grundsicherung / Jedes zweite Kind im Hartz IV-Bezug wächst in Ein-Eltern-Familie auf / Studie: Politik unterstützt
Alleinerziehende zu wenig
 


Gütersloh, 10. März 2014. Obwohl in Deutschland immer weniger Kinder geboren werden, wächst eine Familienform seit Jahrzehnten beständig: die Ein-Eltern-Familie. 1,6 Millionen Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern gibt es derzeit, ein Viertel mehr als 1996. Das ist mittlerweile jede fünfte Familie. Die Politik berücksichtigt ihre Lebenssituation mit der besonderen Belastung durch Beruf, Erziehung und Haushalt jedoch zu wenig: Sowohl im Unterhaltsrecht als auch im Steuer- und Sozialrecht haben Reformen der vergangenen zehn Jahre den finanziellen Druck auf Alleinerziehende verschärft. Das belegt eine neue Studie der Juraprofessorin Anne Lenze von der Hochschule Darmstadt im Auftrag der Bertelsmann Stiftung.

Dringenden Reformbedarf sieht die Studie vor allem deshalb, weil 39 Prozent aller Ein-Eltern-Familien auf staatliche Grundsicherung angewiesen sind. In allen Bundesländern ist die Hartz-IV-Quote Alleinerziehender extrem hoch. Im Vergleich zu Paarfamilien beziehen sie im Bundesdurchschnitt fünf Mal häufiger Hartz IV. Aus der Perspektive der Kinder wird diese soziale Schieflage noch deutlicher: Jedes zweite der insgesamt 1,9 Millionen Kinder, die von staatlicher Grundsicherung leben, wächst in einer Ein-Eltern-Familie auf. "Wer Kinderarmut bekämpfen will, muss die rechtlichen und familienpolitischen Rahmenbedingungen für alleinerziehende Eltern verbessern", sagt Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung. Denn die Studie zeigt, dass Ein-Eltern-Familien in unterschiedlichen Rechtsbereichen systematisch benachteiligt werden. 




 Problematisch ist die finanzielle Lage von Kindern in Ein-Eltern-Familien insbesondere aufgrund der Regelungen im Unterhaltsrecht. Hinzu kommt, dass bei Unterhaltszahlungen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander klaffen. Alleinerziehende werden zudem steuerlich benachteiligt.

Seit der Unterhaltsrechtsreform im Jahr 2008 können Alleinerziehende von ihrem Ex-Partner kein Geld mehr für ihre Erziehungsarbeit erwarten, sobald ihr Kind älter als drei Jahre und eine Betreuungsmöglichkeit verfügbar ist. Für die materielle Situation von Ein-Eltern-Familien spielt außerdem der Kindesunterhalt eine wichtige Rolle. Doch kommt dieser bei den meisten Kindern nicht in einer existenzsichernden Höhe an: In zwei Drittel der Fälle werden Unterhaltszahlungen vereinbart, die unterhalb des Existenzminimums liegen; und nur für jedes zweite Kind wird der vereinbarte Unterhalt tatsächlich gezahlt. Die andere Hälfte der Kinder erhält vom getrennt lebenden Elternteil weniger oder gar kein Geld. Zudem orientiert sich die rechtlich festgelegte Höhe der Unterhaltszahlungen an einem Existenzminimum, das den Lebensunterhalt sowie die steigenden Kosten für Bildung und gesellschaftliche Teilhabe des Kindes kaum abdeckt. Zahlt der unterhaltspflichtige Elternteil nachweislich nicht, können Alleinerziehende zwar staatliche Unterstützung in Form eines Unterhaltsvorschusses beantragen. Allerdings nur, wenn das Kind jünger als zwölf Jahre ist und lediglich für eine Dauer von maximal sechs Jahren. Trennen sich die Eltern, wenn die Kinder älter als zwölf Jahre alt sind, haben diese keinen Anspruch mehr auf Unterhaltsvorschuss. Diese Ungleichbehandlung von Kindern ist laut Lenze gleichheitsrechtlich höchst problematisch.

Neben dem Unterhaltsrecht erhöht das Steuerrecht den finanziellen Druck besonders auf Ein-Eltern-Familien mit niedrigem Einkommen. 2003 wurde der höhere Haushaltsfreibetrag für Alleinerziehende abgeschafft. Der seit 2004 geltende, deutlich niedrigere Entlastungsbetrag führt dazu, dass Alleinerziehende fast so besteuert werden wie Singles. Eine gering verdienende Alleinerziehende hat lediglich eine Steuerersparnis in Höhe von 15 Euro pro Monat, unabhängig davon, wie viele Kinder sie versorgt.

Problematisch ist, dass wichtige sozialpolitische Maßnahmen, die Familien einen Weg aus dem Hartz IV-Bezug ebnen sollen, gerade bei Alleinerziehenden nicht ankommen. Den 2005 eingeführten Kinderzuschlag beispielsweise können Familien beantragen, wenn sie trotz eigenem Einkommen das Existenzminimum ihrer Kinder nicht vollständig decken können. Bei Alleinerziehenden werden jedoch Kindesunterhalt und Unterhaltsvorschuss als Einkommen angerechnet, so dass sie die Leistung meist gar nicht oder nicht in voller Höhe in Anspruch nehmen können. Auch von den Kindergelderhöhungen der letzten Jahre profitieren viele Kinder in alleinerziehenden Familien nicht. Denn lebt die Familie von Hartz IV oder bezieht Unterhaltsvorschuss, wird das Kindergeld vollständig angerechnet. "Kinderarmut mit der Gießkanne zu bekämpfen, die ausgerechnet die Familien ausspart, die Unterstützung dringend benötigen, kann nicht der richtige Weg sein", so Dräger. Dabei könne Politik mit einer gezielten Unterstützung von Alleinerziehenden die Hälfte aller Kinder, die von Grundsicherung leben, erreichen.

Auf Basis der Studie plädiert die Bertelsmann Stiftung für Maßnahmen, die Alleinerziehenden und ihren Kindern schnell nützen. Beim Unterhaltvorschuss sollten Begrenzungen für Bezugsdauer und Alter wegfallen. "Im Steuerrecht muss der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende deutlich erhöht werden. Das darf von der Großen Koalition nicht nur diskutiert, sondern muss zeitnah umgesetzt werden", fordert Dräger. Eine Erhöhung des Kinderzuschlags, die aktuell im Gespräch ist, helfe Kindern Alleinerziehender nur dann, wenn Unterhalt und Unterhaltsvorschuss nicht mehr in der bisherigen Form angerechnet würden. Längerfristig sind weitergehende Reformen in den verschiedenen Rechtsbereichen notwendig. Dazu müssten zunächst einmal die tatsächlichen altersgerechten Bedarfe eines Kindes ermittelt und allen Kindern garantiert werden, unabhängig von der Familienform, in der sie leben.


Rückfragen an: Anette Stein, Telefon: 0 52 41 / 81-81274
E-Mail: anette.stein@bertelsmann-stiftung.de

Antje Funcke, Telefon: 0 52 41 / 81-81243
E-Mail: antje.funcke@bertelsmann-stiftung.de

Sarah Menne, Telefon: 0 52 41 / 81-81260
E-Mail: sarah.menne@bertelsmann-stiftung.de

 

Weitere Informationen:
http://www.bertelsmann-stiftung.de


Nota.

Dass eine Familie aus Vater, Mutter und mehreren Kinder besteht, nicht die einzig mögliehe Familienform ist, mag ja sein. Aber sie ist die für das Aufwachsen der Kinder günstigste Familienform. Unterm pädagogischen Gesichtspunkt ist es ganz richtig, wenn die Politik bemüht ist, dafür die angemessenen Bedingungen zu schaffen. Dass dabei das eine oder das andere Kind seinen Alltag zeitweilig nicht im selben Haushalt verbringt wie die übrige Familie, kann den Bestand der Familie dabei in manchen Fällen sogar stabilisieren; aber es sollte - zunächst im öffentlichen Bewusstsein und, so Gott will, dann im wirklichen Leben - unter Familie wieder verstanden werden, dass die Kinder und die, die sie zur Welt gebracht haben, zusammengehören.  

Und vor allem sollte die Einsicht in den öffentlichen Wortschatz Zugang finden, dass niemand ein Kind "allein" erzieht; die ganze Welt erzieht mit, auch wenn's nicht jedEr wahrhaben will.
JE 

Dienstag, 4. März 2014

Keine Gewalt!

aus NZZ, 5. 2. 2014                                                                                                                              Lothar Sauer

Bub wegen Schussgeste suspendiert

(ap) · In Ohio ist ein zehnjähriger Knabe für drei Tage von der Schule suspendiert worden, weil er mit dem Finger auf einen Mitschüler gezielt hatte. Der Fünftklässler versicherte, dies sei nur ein Spiel gewesen, wie die Zeitung «Columbus Dispatch» meldete. Doch die Schule bestand auf ihren strikten Regeln, jede Art von Bedrohung oder Gewalt zu ahnden.