Wirkungen von Klassengrössen
Den Schwächsten helfen kleine Klassen kaumNur mit kleineren Klassen wird man lernschwächeren Kindern gerecht. So wird für die Klassengrössen-Initiative argumentiert. Eine neue Studie zeigt, dass die Schwächsten von kleineren Klassen eher nicht profitieren.
Das Thema Klassengrösse ist ein Dauerbrenner, nicht nur in der Bildungspolitik, sondern auch in der Bildungsforschung. Eine politische Entscheidung fällen die Zürcher Stimmberechtigten am 30. November.Bevorzugen sie den Gegenvorschlag, würden etwas mehr personelle Ressourcen geschaffen, um dort zu helfen, wo es tatsächlich brennt.
In der Forschung liegt nun einebrandneue Studie der Zürcher Bildungsökonomin Uschi Backes-Gellner und ihres Mitarbeiters Simone Balestra vor, die einige interessante Aussagen zu bisher vernachlässigten Aspekten der Wirkung von Klassengrössen zulässt. Wem will und kann man mit einer Verkleinerung der Klassen eigentlich wirklich helfen? Diese Frage bildet den Ausgangspunkt der Untersuchung anhand der umfangreichen Daten des amerikanischen Schulversuchs «Tennesse Star». Sie liefern nicht nur Angaben zu den Leistungen von Schülern in verschieden grossen Klassen, sondern auch zur späteren Entwicklung der Schüler.Plädoyer für Klassenassistenz
Betreuungsaufgaben ausserhalb des Klassenzimmers übernehmen sie nicht. Im Unterschied zu früheren Untersuchungen kann die Zürcher Studie mit ihrem Ansatz, die unterschiedlichen Schülergruppen differenziert zu betrachten, zeigen, dass für Lernschwächere der Einsatz von Hilfslehrern wesentlich effektiver ist als die Verkleinerung von Klassen. Er entpuppte sich sogar als einzige Massnahme, die dieser Gruppe wirklich nützt.
Keinerlei Langzeiteffekte
Uschi Backes-Gellner sieht in diesem Ergebnis durchaus eine Ermutigung, mit Klassenassistenzen, Senioren im Klassenzimmer und ähnlichen kostengünstigen Formen der Unterstützung von Lehrpersonen auch hier ernst zu machen. Zumal ausgebildete Lehrkräfte nicht vom Himmel fallen und auf absehbare Zeit nicht in wünschbarer Menge verfügbar sind. Noch ernüchternder sind die Resultate, wenn man die Langzeiteffekte kleinerer Klassen überprüft. Selbst die wenigen positiven Auswirkungen sind nicht nachhaltig, wie die Studie auch zeigt. Sie verschwinden im Verlauf der obligatorischen Schulzeit vollständig. Hingegen lässt sich nachweisen, dass die Erfahrung der Lehrkräfte sich positiv auf die Lernerfolge der Schüler auswirkt. Backes-Gellner folgert daraus, dass die Schaffung vieler neuer Klassen als Folge der Verkleinerung bestehender Klassen sogar gefährlich sein kann: weil es nämlich an erfahrenen Lehrern mangelt, um all die Klassen kurzfristig zu besetzen.
Näher zum Ziel führe es, erfahrenen Lehrerinnen und Lehrern zusätzliche Unterstützung zu gewähren. «Eine gute Ausstattung der Schulen mit zusätzlichem Unterstützungspersonal und eine adäquate Ausbildung dieses Personals versprechen einen deutlich effektiveren und effizienteren Mitteleinsatz als dies durch eine pauschale Verkleinerung von Klassen erreicht werden kann», schliesst die Professorin.
Effekte von Klassengrössen wbt. ⋅ Die vorgestellte Studie von Uschi Backes-Gellner und Simone Balestra ist im August unter dem Titel «Revisiting Class-Size Effects: Where They Come From and How Long They Last» als Working Paper No. 102 des Swiss Leading House «Economics of Education» (https://ideas.repecorg/p/iso/educat/0102.html) erschienen. Selbstverständlich ist die direkte Anwendbarkeit von Ergebnissen solcher Studien mit aller Sorgfalt zu prüfen. Lehrer würden wohl neben dem Lernerfolg der Qualität der Beziehungen mehr Wert zumessen.
Nota. - Dass es überhaupt 'Klassen' sind, ist das Problem. Am besten würden Kinder in Dreier- bis Fünfer-Gruppen lernen, die müssten auch nicht vom selben Jahrgang sein, denn da jeder Schüler individuell unterrichtet würde, spielten Leistungsunterschiede ohnehin keine große Rolle. - Nur in einer Schule geht das eben nicht. Da sind alle Lösungen naturgemäß nur zweite oder dritte Wahl.
Wenn es denn aber schon Jahrgangsklassen sein müssen, scheint der Einsatz von Lehrerteams gegenüber der Einmannshow vor der Tafel als die flexiblere Lösung. Aber wie der Artikel schon ganz selbstverständ- lich voraussetzt: In der Praxis liefe es auf die Einrichtung von Hilfslehrer-Posten hinaus. Und bei den Hilfslehrern würden sich früher oder später ebenso unweigerlich die Hilfsschüler ansammeln; Lehrer zweiter Wahl für die Doofen. Es werden sich Erziehungswissenschaftler finden, die dafür einen neuen Fachausdruck ausdenken, aber die Schüler werden es schon beim richtigen Namen zu nennen wissen.
JE
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