Einmal Erster, immer Erster.
Statistisch
sind Erstgeborene besser gebildet und verdienen mehr als ihre
Geschwister. Das ist nicht nur unfair, sondern auch das Ergebnis kühl
kalkulierender Eltern, sagen Ökonomen.
Was haben die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, US-Präsident Barack Obama und Mario Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank, gemeinsam? Sie sind nicht nur drei der mächtigsten Menschen unserer Zeit, sie waren auch jeweils das erste Kind ihrer Eltern. Eine Eigenschaft, die sie mit mehr als der Hälfte aller Nobelpreisträger teilen. Reiner Zufall? Mitnichten. Glaubt man der Statistik, dann sind Erstgeborene als Erwachsene im Durchschnitt besser gebildet, in mächtigeren Positionen und verdienen mehr als jüngere Geschwister.
Wer zuerst kommt, mahlt tatsächlich zuerst – und das ein Leben lang. Zu diesem Schluss kommt etwa der Ökonom Feifei Bu von der britischen Universität in Essex. In seiner aktuellen Studie hat er erstmals nicht wahllos Daten von Bürgern eines Landes verglichen, sondern 1503 reale Geschwisterkonstellationen untersucht. Das Ergebnis: Die Ältesten in der Familie waren zielstrebiger und erreichten eine höhere Bildung als die Nachzügler. Besser als erstgeborene Söhne schnitten nur erstgeborene Töchter ab.
Je jünger, desto ärmer.
Die Debatte über die Auswirkungen der Geschwisterreihenfolge auf den späteren wirtschaftlichen Erfolg führen Ökonomen schon sehr lange. Vieles deutet darauf hin, dass die Ältesten im Vorteil sind, doch gab es oft methodische Kritik an den Untersuchungen. Eine der bisher umfassendsten Erhebungen haben die Wirtschaftswissenschaftler Sandra Black, Paul Devereux und Kjell Salvanes 2005 unternommen. Sie haben die gesamte Bevölkerung Norwegens über mehrere Jahre lang statistisch begleitet, und auch sie kommen zu dem Schluss: Die ältesten Kinder haben nicht nur tendenziell einen höheren Intelligenzquotienten und eine bessere Bildung, sondern werden auch wohlhabender als Zweit- und Drittgeborene.
Bei der Gehaltskurve zeigt sich: Je später man dran ist, desto geringer ist das Einkommen. Der Zweite verdient meist mehr als der Dritte und so weiter. Zur Veranschaulichung, wie groß der Effekt tatsächlich ist, schreiben die Autoren: „Der Unterschied im Bildungserfolg zwischen dem ersten und dem fünften Kind in einer Fünf-Kinder-Familie ist etwa so groß wie der Unterschied zwischen Schwarzen und Weißen in Amerika in der Volkszählung von 2000.“
Der Kampf der Ältesten.
Aber warum ist das so? Welchen Einfluss haben die finanzielle Situation der Eltern, die Zahl der Geschwister und die Erziehungsmethoden auf das Ergebnis?
Die simpelste Erklärung: Es gibt zu wenig Geld, und das wird in das erste Kind investiert. Der Stammhalter muss studieren (damit er den Betrieb übernehmen kann), für die Spätgeborenen bleibt leider wenig übrig. Diese These überzeugt die Forscher jedoch am wenigsten. Denn gerade die Kinder von Eltern, die überdurchschnittlich gut gebildet sind – und damit wohl auch überdurchschnittlich vermögend sind–, zeigten die größten Unterschiede zwischen Erst- und Nachgeborenen.
Auch die Hypothese, dass mit jedem weiteren Kind das Zeitbudget der Eltern knapper und die Rundum-Förderung des Nachwuchses zusehends geringer ausfällt, ist nicht haltbar. Ansonsten müssten Einzelkinder die „Erfolgsstatistik“ überlegen anführen. Tatsächlich schnitten sie in der Studie jedoch schlechter ab als älteste Brüder oder Schwestern.
Eine ganz andere Erklärung haben die beiden Ökonomen V. Joseph Hotz von der Duke University und Juan Pantano von der Washington University im Herbst des vergangenen Jahres veröffentlicht: Sie machen die strategischen Überlegungen der Eltern für den Startvorteil der Älteren verantwortlich. Eltern handeln demnach ökonomisch durchaus rational, wenn sie ihr erstes Kind strenger erziehen und stärker auf gute Noten achten, da der oder die Ältere so als Vorbild für die jungen Geschwister dienen kann. Danach können Mama und Papa die Zügel getrost etwas lockern.
Später würden die Älteren davon jedoch profitieren, so die Conclusio der Forscher. Wenn die Eltern schon nicht gerecht sind, so ist es wenigstens das Leben. Denn die Ältesten müssen sich jedes Privileg bei den Eltern hart erkämpfen, während die jüngeren Geschwister die Errungenschaften ihrer großen Schwestern und Brüder genießen können. Dieser Kampf hilft den Erstgeborenen jedoch, sich als Erwachsene auch im beruflichen Umfeld besser durchzusetzen.
Wer sich also in der Kindheit als Ältester geärgert hat, dass die Kleinen schon dürfen, was einem selbst in dem Alter noch verwehrt war, kann sich demnach später zumindest über das vollere Konto freuen.
Geld ist nicht Glück.
So weit die Statistik und die Theorie. Mit dem einzelnen Menschen haben ökonomische Studien über fiktive Durchschnittsindividuen jedoch meist nur am Rande zu tun. So gibt es wohl in jeder Familie zumindest ein Gegenbeispiel zu den Ergebnissen. Darum an dieser Stelle eine Entwarnung an alle Spätgeborenen, die ihre Lebensträume gerade enttäuscht umstoßen wollten: Geld und beruflicher Erfolg alleine sind kein Garant für ein glückliches Leben.
Und auch für Zweit- und Drittgeborene halten die Wissenschaftler ermutigende Studien bereit. Sie würden in ihrem Kampf um Aufmerksamkeit tendenziell zu kreativeren Mitteln – und auch Lebensentwürfen – greifen, als ihre älteren Geschwister. Mark Twain war etwa ein jüngerer Bruder, ebenso der US-Fernsehsatiriker Stephen Colbert. Und wem es nicht genügt, statistisch gesehen die entspanntere Kindheit verleben zu dürfen, und wer unbedingt reich und mächtig werden will, kann das genauso wie die großen Schwestern und Brüder. Beispiele gefällig? Microsoft-Gründer Bill Gates kam als Nummer zwei zur Welt, so auch Mark Zuckerberg – und Wladimir Putin.
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