Freitag, 11. Juli 2014

Das Trapsen der Nachtigall.

Die sorgenfreie Kindheit ist eine Illusion - Depression bei Vorschulkindern
Diana Smikalla  
Pressestelle 
Universität Leipzig  

24.04.2014 11:09

Forscher der Universität Leipzig haben lokal einen gesamten Kindergartenjahrgang auf Angst- und Depressionssymptome untersucht. Dabei wurden bei zwölf Prozent der rund 1.740 einbezogenen Kinder erhöhte Ängstlichkeit und depressive Verstimmtheit festgestellt. Ohne fachliche Hilfe sind sie nachweislich einem erhöhten Risiko ausgesetzt, im Erwachsenenalter eine Depression zu entwickeln. Eine neue Kurzzeittherapie, die bereits im Vorschulalter gegensteuert, zeigte bemerkenswerte Erfolge. Die Studienergebnisse wurden jetzt in zwei namhaften Fachzeitschriften veröffentlicht 

Wenn ein Fünfjähriger im Kindergarten wenig Interesse zeigt, sich am Spiel zu beteiligen, wird er zunächst kaum auffallen. "Die Aufmerksamkeit liegt eher auf Hyperaktivität und Aggression", weiß Prof. Kai von Klitzing, Universitätsklinikdirektor für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters. "Wenn ein Kind jedoch dauerhaft traurig ist, nicht spielen will oder lustlos in der Ecke sitzt, sollte man genauer hinschauen. Denn erwachsene depressive Menschen berichten häufig, dass ihre Krankheit schon im Kindesalter begann."
 

Das Expertenteam um den renommierten ärztlichen Kindertherapeuten und Ordinarius an der Medizinischen Fakultät forscht seit sieben Jahren zum Thema Depression im Kindesalter. Von Klitzing will den Weg bereiten für die Früherkennung einer Krankheit, die schwerwiegende soziale und ökonomische Folgen für die Gesellschaft hat. In Deutschland liegen die Kosten in Folge depressionsbedingter Frühberentungen bei geschätzten 1,5 Milliarden Euro jährlich.
 

Nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit melden sich rund 300.000 Menschen im Jahr aufgrund ihrer Depression arbeitsunfähig, Tendenz steigend.  

Hohe Zahl an auffälligen Kindern
 

Aktuell haben die Wissenschaftler in Leipzig auch die Eltern des Kindergartenjahrgangs nach Angst- und Depressionssymptomen bei ihren Kindern befragt. Demnach wiesen über 200 der untersuchten Kinder zwölf Prozent erhöhte Ängstlichkeit und depressive Verstimmtheit auf. Die Entwicklung etwa der Hälfte dieser Kinder war sogar schon stärker beeinträchtigt. Lagen Symptome wie Traurigkeit, Schlafstörungen, Gereiztheit oder Spielhemmung vor, wurden Kinder wie Eltern zu einer vertieften kinderpsychiatrischen Diagnostik eingeladen.
 

Parallel wurde eine Kontrollgruppe untersucht, bei denen die Anzeichen nicht auftraten. Das Zusammentreffen von beeinträchtigender Angst und deutlichen Depressionszeichen konnte vom Forscherteam so als ein wichtiges Risikoprofil identifiziert werden. Das Ergebnis der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Studie wurde gerade in der Fachzeitschrift "Journal of Child Psychology and Psychiatry" veröffentlicht.
 

Genetische und soziale Faktoren
 

Besonders betroffen sind Kinder, deren Eltern selbst unter einer Depression leiden. Ein höheres Risiko haben aber auch diejenigen, die negative Lebenserfahrungen, wie Misshandlung und Vernachlässigung, schon in der frühen Kindheit erlebten. Andere Faktoren sind auch das Zerbrechen von Familien und früher Leistungsdruck. "Psychische Krankheiten sind in der Gesellschaft heute anerkannter als früher", so der Psychotherapeut. "Dennoch glauben viele, die Kindheit sei sorgenfrei. Das ist aber eine Illusion." Dabei betont von Klitzing, dass nicht jedes Kind, das ängstlich ist, gleichzeitig depressiv wird.

Phobische Symptome, wie Angst vor Dunkelheit und vor großen Tieren, seien genauso normal wie die anfängliche Angst und Traurigkeit, sich morgens vor dem Kindergarten von den Eltern zu trennen. "Ich finde es wichtig, die zu identifizieren, die wirklich leiden und echte Entwicklungsprobleme haben."
 

Neu entwickelte Kurzzeittherapie
 

Um rasch behandeln und einer Verstetigung vorbeugen zu können, hat von Klitzing zusammen mit seiner Kollegin, der Diplompsychologin Tanja Göttken, eine psychoanalytische Kurzzeitbehandlung für Kinder von vier bis zehn Jahren entwickelt und wissenschaftlich erforscht. In 25 Therapie-Sitzungen, von denen fünf mit und 20 ohne Eltern stattfinden, werden in Gesprächen und im Spiel unverarbeitete Konflikte des Kindes herausgearbeitet. "Es geht nicht darum, einfach die Symptom zu beseitigen, sondern für Kind und Eltern besser verständlich zu machen, welche ungelösten Entwicklungsaufgaben hinter den Symptomen stehen", erläutert von Klitzing. In der Konfliktbearbeitung kommen sehr häufig Themen wie Trennung und Schuld auf. "Kinder fühlen sich rasch schuldig, wenn es Schwierigkeiten in der Familie, wie Partnerschaftsprobleme oder Krankheit der Eltern, gibt. Tief innerlich empfinden sie, dass es ihnen nicht besser gehen darf als den Eltern."
 

Die Behandlung zeigte in einer kürzlich in der internationalen Fachzeitschrift "Psychotherapy" veröffentlichten ersten Studie an 30 Kindern erstaunliche Erfolge: Bei allen Kindern verminderten sich die Symptome im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich, mehr als die Hälfte der Kinder war am Ende sogar völlig störungsfrei. Für die Therapeuten eine durchaus zufriedenstellende Entwicklung, die auch über sechs Monate nach Therapieende anhielt. "Dennoch wird ein Teil der Kinder eine längere psychotherapeutische Behandlung benötigen, um sich auch langfristig gesund entwickeln zu können."
 

Fachveröffentlichungen:
Klitzing, K. von, White, L. O., Otto, Y., Fuchs, S., Egger, H. L., & Klein, A. M. (2014).
Depressive comorbidity in preschool anxiety disorder. Journal of Child Psychology and
Psychiatry, and Pllied Disciplines. Published online, doi:10.1111/jcpp.12222

Göttken, T., White, L. O., Klein, A. M., & Klitzing, K. von. (2014). Short-term psychoanalytic child therapy for anxious children: A pilot study. Psychotherapy (Chicago, Ill.), 51(1), 148-158. doi:10.1037/a0036026
 

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Kai von Klitzing
Telefon: +49 341 97-24010
E-Mail: kai.vonklitzing@uniklinik-leipzig.de 


Weitere Informationen: http://kjp.uniklinikum-leipzig.de  

Nota. - Aha, ADHS ist also arbeitsmarktpolitisch ausgeschöpft. Jetzt nehmen sie sich die übrigen vor. Wär ja gelacht, wenn wir denen nicht auch was anhängen könnten...

Es gibt wirklich hyperaktive Kinder, die nicht bloß zappelig und ein wenig sprunghaft sind, sondern frühe Anzeichen einer ernsteren Störung zeigen. Wer würde den Erziehern raten, davor die Augen zu schließen und sich um andere Dinge zu kümmern? Aber etwas ganz anderes ist es, wenn Professionelle an eine ganze Altersgruppe mit der festen Absicht herantreten, an ihnen Symptome zu erkennen, die es erforderlich machen, sie einer entgeltlichen Spezialbehandlung zu unterziehen - wobei selbstredend keiner weiß, ob die überhaupt was nützt.  

Nicht jedes Kind, das gelegentlich Pavor nocturnus erlebt, wird später depressiv, sagt beschwichtigend der renommierte ärztlichen Kindertherapeut und Ordinarius. Kann schon sein, entgegnet Diplompsychologin Tanja Göttken, aber sicher ist sicher, so ein klein bisschen Kurzzeitanalyse hat noch keinem geschadet, sie selber ist ganz zufrieden mit sich, und von irgendwas muss der Ofen ja rauchen.  

Machen Sie sich also schonmal auf die nächste Welle gefasst, lieber Leser. 
JE
 

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