aus DiePresse.com, 09.10.2014 | 09:54 |
"Erwachsenen-PISA": Kinderlose können besser lesen
Personen
ohne Kinder erzielten bei der OECD-Studie in allen Bereichen bessere
Ergebnisse als Eltern. Vor allem Mütter schneiden schlecht ab.
Schlechte Nachrichten
für Mütter und Väter bringt die OECD-Studie "Programme for the
International Assessment of Adult Competencies" (PIAAC). Ein Ergebnis
des so genannten "Erwachsenen-PISA" ist nämlich, dass Personen mit
Kindern in allen Bereichen schlechtere Ergebnisse erzielt haben als
Kinderlose. Dieses - für viele wohl überraschende- Ergebnis zeigt eine
Detailanalyse der Statistik Austria. Bei der Studie wurden Personen im
Alter zwischen 16 und 65 Jahren im Lesen, in Alltagsmathematik und im
Problemlösen getestet.
Die ersten Ergebnisse der Studie, deren Fokus auf der Überprüfung von
für Beruf und Alltag relevanten Schlüsselkompetenzen liegt, wurden im
Oktober 2013 präsentiert. Dabei zeigte sich, dass fast eine Million
Menschen in Österreich nur über eine geringe Lesekompetenz verfügt.
International schnitten die Österreicher dabei durchschnittlich ab: Im
Lesen liegen wir leicht unter dem OECD-Schnitt, in der Mathematik leicht
darüber und beim Problemlösen im Schnitt.
Männer schneiden besser ab
In einem Sammelband werden nun Details analysiert - mit zum Teil
überraschenden Ergebnissen: So erreichten bei PIAAC Männer zwar in allen
drei Kompetenzbereichen bessere Leistungen - im Lesen und im
Problemlösen ist der Geschlechterunterschied aber etwa wesentlicher
geringer als die Leistungsunterschiede zwischen Kinderlosen und Personen
mit Kindern, analysieren Elisabeth Ponocny-Seliger (Gender Research)
und Ivo Ponocny (Modul University).
So zeigte sich etwa beim Lesen
ein vierfach größerer Unterschied zugunsten der Kinderlosen (16 Punkte)
als zwischen Männern und Frauen (vier Punkte), beim Problemlösen war er
doppelt so groß (20 Punkte zugunsten der Kinderlosen bzw. neun Punkte
zugunsten der Männer). In der Alltagsmathematik sind die Unterschiede
(Geschlechter: 13 Punkte; Kinderlose vs. Personen mit Kindern: zwölf
Punkte) praktisch gleich groß.
Bei Vätern ist das Bild uneinheitlich
Beim Lesen zeigt sich etwa, dass bis zum Alter von 35 Jahren die
Unterschiede zwischen Kinderlosen und Eltern sowohl bei Frauen als auch
bei Männern deutlich ausgeprägt sind, bei Frauen noch stärker. Mütter
schneiden also am schlechtesten ab. Während der Unterschied zwischen
Müttern und kinderlosen Frauen dann bis 65 Jahre bestehen bleibt, ist
das Bild bei den Männern uneinheitlich: Bei den 45-bis 54-Jährigen
überholen die Väter ihre kinderlosen Geschlechtsgenossen, um etwas
später wieder leicht hinter diese zurückzufallen.
Kinder als Gefahr
"In der jüngeren Generation macht es nicht mehr das Geschlecht aus,
sondern die Bedingungen rundherum", meinte Ponocny-Seliger. Als
Erklärung für die Kompetenzrückstände der Personen mit Kindern führt sie
zwei Argumente an: "Einerseits sind Kinder eine riesige Gefahr, aus der
Bildungslaufbahn hinausgekickt zu werden. Und Kinder binden Zeit -
diese Zeit geht für den Kompetenzerwerb verloren." Wobei man das nicht
falsch verstehen dürfe: Durch Kinder erwerbe man durchaus Kompetenzen,
aber eben nicht jene, die bei PIAAC abgefragt würden.
Die
geringeren Unterschiede zwischen Kinderlosen und Eltern in der älteren
Generation erklärt Ponocny-Seliger einerseits damit, dass die Kinder in
diesem Alter im Regelfall außer Haus seien, und andererseits mit der
unterschiedlichen Sozialisation. Diese Generation habe ein ganz anderes
Bildungssystem durchlaufen und sei etwa nicht unter dem ständigen Druck
zur Fortbildung gestanden.
Vergleich mit andere Ländern
In anderen Staaten ergibt sich ein unterschiedliches Bild: Bis zum
Alter von 35 Jahren haben zwar auch in Frankreich die Kinderlosen die
Nase vorn. Bereits mit 35 Jahren nivellieren sich aber die Unterschiede,
bei den Älteren erzielen dann sogar die Personen mit Kindern höhere
Werte. Ähnlich ist die Lage in Finnland, wo zwar junge Frauen mit
Kindern leistungsmäßig massiv abfallen, ab ca. 45 Jahren aber keine
Geschlechter- oder Fertilitätseffekte mehr zu verzeichnen sind.
(APA/Red.)
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