Filmkritik zu Little Indian, aus: Neues Deutschland, 6. 7. 1995
Die skurrile Story: Der Pariser Börsenspekulant
Steph erfährt duch Zufall, daß er Vater ist - sein dreizehnjähriger Sohn ist
bei amazonischen Waldindianern aufgewachsen; nicht ganz freiwillig nimmt er ihn
mit nach Paris, wo er prompt das unterste zuoberst kehrt...
Keine Frage, Little Indian hat das Zeug zu einem Familienklassiker wie Yves Roberts Krieg der Knöpfe. Es ist eine Lachversion von Tarzan in New York, versetzt mit Truffauts Wolfsjungen, und keine Frage, auf wessen Seite die Lacher sind, wenn Urwald und Zivilisation zusammenstoßen. Es kommt schließlich, wie es kommen muß - der Vater folgt seinem Sohn zurück an den Amazonas...
Dieser Film kommt zur gleichen Zeit in die
Kinos wie der britische Streifen Probezeit
(„The Second Best“ mit William Hurt). Sie variieren beide, einer als
Melodram, der andere als Groteske, das Thema ‚Vater und gefundener Sohn’, das
seit Wim Wenders' Paris, Texas zusehends
in Mode kommt und von Mel Gibson und Richard Harris, besonders aber von
Muskelmann Sylvester Stallone forciert wurde (Rambo II, Over the Top, Rocky V). Es sind Parabeln über das Verhältnis
der Generationen an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter. Richtiger gesagt, über
das Verhältnis von Kindlichkeit und Erwachsenheit. Denn es sind nicht, wie im
Hollywood-Klischee, die Söhne, die nach ihren Vätern suchen, sondern die Väter
suchen Söhne. Mal kitschig, mal dramatisch, hier irre-komisch: Männer, die ‚geworden
sind, was sie aus sich gemacht haben’, stehen vor einem Bildnis ihrer selbst,
als sie noch nichts geworden waren und noch alles sein konnten, reiben sich die
Augen und fragen: Und wozu? Sicher werden Kinder groß, das soll wohl so sein.
Aber ‚erwachsen’? - Es sind auch nicht liebe Kleine, die zu solchen Fragen Anlaß
geben. Es sind Fast-Große. Schon aufgeweckt, aber noch nicht zur Vernunft
gebracht. Schon geistreich, aber sehr leichten Sinns. Soeben keine Kinder mehr,
aber desto unerwachsener.
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