R. Doisneau
aus Süddeutsche.de, 19. 10. 2017
In der Süddeutschen schreibt Sebastian Herrmann heute über ein Experiment von Psychologen um Rachel White von der University of Pennsylvania, von dem die aktuelle Ausgabe des Fachmagazins Child Development berichtet. Die Frage war: Wie kann man schulpflichtige Kinder dazu bewegen, sich auf ihre langweiliegen Hausarbeiten zu konzentrieren?
Die Psychologen untersuchten für ihr Experiment das Durchhaltevermögen von fast 200
Kindern im Alter von vier oder sechs Jahren. Die kleinen Probanden
mussten eine langweilige Aufgabe erledigen, durften sich dabei aber, so
oft sie wollten, ablenken und ein Computerspiel spielen. Letztlich ging
es in dem Experiment darum, die Wirkung von Selbstdistanzierung zu
überprüfen.
Aus vielen Studien mit Erwachsenen ist bekannt, dass diese bessere
Selbstkontrolle haben, wenn sie quasi wie eine dritte Person von außen
ihr Verhalten reflektieren. Diesen Mechanismus wandten die Forscher nun
auf Kinder an. Wenn diese sich laut fragten (wozu sie aufgefordert
wurden): "Bin ich ein guter Helfer?", dann ließen sie sich besonders
leicht von ihrer langweiligen Aufgabe ablenken. Sprachen die Kinder
hingegen mit vollem Namen in der dritten Person von sich, blieben sie
deutlich länger bei der Sache. Die größte Ausdauer aber hatten die
Kinder, wenn sie sich zum Beispiel ein Batman-Kostüm anziehen durften
und sich laut fragten: "Ist Batman ein guter Helfer?"
Die Psychologen mutmaßen, dass sich die Kinder damit besonders
effektiv von ihrem Selbst distanzieren konnten und auf diese Weise die
Aufmerksamkeit von den eigenen Begierden (Computerspiel) ablenkten.
Erwachsenen, das ist gut belegt, gelingt es schließlich auch besser, für
andere Menschen Entscheidungen zu treffen, als das eigene
Gedankenkuddelmuddel zu einem Ziel zu führen.
In anderen Studien haben
Forscher beobachtet, dass Kinder bei Rollenspielen zum Beispiel
vergleichsweise lange imstande sind, auf eine Belohnung zu warten -
wahrscheinlich, weil sie die Perspektive ihres fiktiven Charakters
einnehmen. Und Batman jammert bestimmt nicht rum, wenn er langweilige
Hausgaben machen muss, der macht das einfach, ist ja schließlich ein
Superheld. ...
Nota. - Was die Sache selber betrifft, wäre es sicher zweckmäßiger, eine Untersuchung anzustellen, wie es Lehrern gelingt, Hausaufgaben so zu stellen, dass sie nicht langweilig sind.
Darüber hinaus lehrt aber das Experiment, dass wir uns umso mehr auf eine Sache konzentrieren können, je entschiedener wir von uns selber absehen. Anders gesagt: Ein nicht geringer Teil der Probleme in unserm Bildungssystem könnte sich von selbst erledigen, wenn es gelänge, die Spuren von einem halben Jahrhun- dert "lernen, wie wir mit unseren Bedürfnissen umgehen", aus den Hirnen der Pädagogen zu tilgen.
JE
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