Donnerstag, 28. August 2014

Ein ganz unerwarteter Beitrag der Kindheit zur Menschwerdung des Affen.


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Nachwuchs-Pflege im Team ist der Ursprung der Selbstlosigkeit

Nathalie Huber  
Kommunikation Universität Zürich


Menschenaffen handeln kaum selbstlos, Menschen dagegen sehr oft, ebenfalls Krallenäffchen: Spontaner Altruismus und Kooperationsfähigkeit sind in der Welt der Primaten sehr unterschiedlich verbreitet. Ein Team unter der Leitung einer Anthropologin der Universität Zürich weist nach, dass die gemeinschaftliche Betreuung der Jungtiere die evolutionäre Voraussetzung für die Entwicklung von spontanem altruistischen Verhaltens war.

Der Mensch zeichnet sich durch seine hoch entwickelten kognitiven Fähigkeiten aus – und er verhält sich sozial, kooperativ und oft selbstlos. Ganz anders ausgerechnet unsere nächsten Verwandten, die Menschenaffen, die ebenfalls über aussergewöhnliche kognitive Fähigkeiten verfügen: Sie fallen weit ab, wenn es um spontane Selbstlosigkeit geht. Altruistisches Verhalten findet man dagegen bei gewissen Arten der Krallenäffchen, z.B. bei Tamarinen und Marmosetten. Seit langem suchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach dem Faktor, der bestimmt, ob sich eine bestimmte Primatenart selbstlos verhält oder nicht.

Da bisherige Studien untereinander nicht vergleichbar waren, testete eine Gruppe von Forschern aus der Schweiz, Deutschland, Österreich, Italien und Grossbritannien unter der Leitung der Anthropologin Judith Burkart von der Universität Zürich einen neuartigen Ansatz – und landete einen Volltreffer: Sie fanden heraus, dass der evolutionäre Ursprung von spontanem selbstlosen Verhalten bei menschlichen und nichtmenschlichen Primaten in der gemeinsamen Betreuung des Nachwuchses liegt. Die Resultate der Studie sind nun in «Nature Communications» publiziert.

Menschen und Löwenäffchen am selbstlosesten
 
Für ihre Verhaltensstudie entwickelten Anthropologin Burkart und ihre Kollegen das neue Paradigma
der Gruppendienstleistung, das spontanes altruistisches Verhalten in einer standardisierten Weise erfasst. Insgesamt beobachteten die Wissenschaftler das Verhalten von 24 Sozialverbänden von insgesamt 15 verschiedenen Primatenarten. Mit Hilfe einer ausgeklügelten Testeinrichtung untersuchten die Forscher, ob Individuen einer bestimmten Primatenart bereit sind, uneigennützig zu handeln und einen Leckerbissen für andere Gruppenmitglieder zu beschaffen, auch wenn sie selber dabei leer ausgehen (siehe Kasten). Die Wissenschaftler untersuchten ausserdem, ob und wie uneigennützig Kindergartenkinder im Alter von 4-7 Jahren handeln.

Die Bereitschaft, spontan selbstlos zu handeln, unterscheidet sich je nach Primatenart markant: «Menschen und goldene Löwenäffchen handelten hochgradig altruistisch und ermöglichten den anderen Gruppenmitgliedern nahezu immer, an die Leckerbissen zu gelangen. Schimpansen dagegen taten dies nur sporadisch», zieht Burkart Fazit. Andere Primatenarten, wie zum Beispiel Varis und Bartmakaken, betätigten den Griff, der einem anderen Gruppenmitglied Futter spendete, überhaupt nicht – dies obschon gerade Makaken über hohe kognitive Fähigkeiten verfügen.

Bislang mutmasste die Forschung, dass spontanes altruistisches Verhalten bei Primaten mit deren kognitiven Fähigkeiten, der Gehirngrösse, sozialer Toleranz, gemeinschaftlicher Futtersuche oder dem Vorhandensein von starken Männchen-Männchen-, Weibchen-Weibchen- oder Paarbindungen in den Gruppen erklärt werden könne. Wie die neuen Daten von Burkart jetzt aber zeigen, liefern all diese Faktoren keine zuverlässigen Vorhersagen, ob sich eine Primatenart uneigennützig verhalten wird oder nicht.

Gemeinschaftliche Jungenaufzucht als Ursprung von Altruismus

 
Die Forschenden verglichen daher die verschiedenen Primatenarten mit spontanem altruistischen Verhalten mit dem Verhalten von Menschen – und wurden fündig: Menschen und Primaten mit altruistischem Verhalten pflegen eine gemeinschaftliche Aufzucht ihres Nachwuchses. Dazu meint Burkart: «Spontanes selbstloses Verhalten findet man ausschliesslich bei den Arten, bei denen Jungtiere nicht allein von der Mutter, sondern auch von anderen Gruppenmitgliedern wie Geschwistern, Vätern, Grossmüttern, Tanten und Onkeln betreut werden.» Dieses Verhalten wird von der Forschung als «gemeinschaftliche Aufzucht der Jungtiere» oder als «Pflegemutterverhalten» bezeichnet.

Das Pflegemutterverhalten ist beim Menschen sehr ausgeprägt und unterscheidet ihn grundlegend von den Menschenaffen. Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass die gemeinschaftliche Aufzucht der Jungen auch die Entstehung der dem Menschen eigenen hochgradigen Kooperationsfähigkeit begünstigte: «Als unsere menschenartigen Vorfahren begangen, ihren Nachwuchs gemeinschaftlich aufzuziehen, legten sie damit die Basis für unseren Altruismus und unsere Hyper-Kooperation», fasst Burkart zusammen.

Literature:
J. M. Burkart, O. Allon, F. Amici, C. Fichtel, C. Finkenwirth, A. Heschl, J. Huber, K. Isler, Z. K. Kosonen, E. Martins, E. Meulman, R. Richiger, K. Rueth, B. Spillmann, S. Wiesendanger & C. P. van Schaik (2014). The evolutionary origin of human hyper-cooperation. Nature Communications 5:4747 doi: 10.1038/ncomms5747.


Test set-up for the altruism study

A treat is placed on a moving board outside the cage and out of the animal’s reach. With the aid of a handle, an animal can pull the board closer and bring the food within reach. However, the handle attached to the board is so far from the food that the individual operating it cannot grab the food itself. Moreover, the board instantly rolls back when the handle is released, moving the food out of reach again, which guarantees that only the other members of the group present are able to get at the snack. In this way, the researchers ensure that the animal operating the handle acts purely altruistically.

For the comparative behavior study with children, an analogous test apparatus was constructed, which was enclosed in a Plexiglas box and could be operated from outside by the children.

Contacts:
Dr. Judith Burkart
Anthropological Institute & Museum, University of Zürich
Winterthurerstrasse 190
CH-8057 Zürich
Switzerland
Email: Judith.burkart@aim.uzh.ch
 
Nota .

Bliebe nachzutragen, dass die Erfordernis, Kinder nicht nur von den Müttern, sondern auch von anderen Gruppenmitgliedern, namentlich den Vätern, betreuen zu lassen, umso dringender wird, je länger die Kindheit dauert.

Die verzögerte Kindheit ist es, die Pädagogik als ein besonderes Gemeinschaftsunternehmen nötig macht.

Die Ausweitung der Kinderbetreuung über die Mütter und die leiblichen Eltern hinaus war es, die Pädagigk möglich gemacht hat. Und sie gehört ihrerseits zu den Bedingungen der Menschwerdung! Herder wäre selig und Rousseau knirscht mit den Zähnen. 

Allerdings eine Pädagogik um der Kinder und nicht um der Erwachsenen willen, sonst könnten die sich nicht in Altruismus üben, und die Veranstaltung verfehlte ganz ihre heilsame Wirkung auf sie.
JE




Nota. Die obigen Fotos gehören mir nicht, ich habe sie im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE    

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