Robert Doisneau
aus nzz.ch, 22. 12. 2014
Gender-Forschung
«Biologische Einflüsse sind schwer nachweisbar»
Interview: Katrin Schregenberger
Frau Maihofer, weshalb spielen Buben mit Autos und Mädchen mit Puppen?
Soziale Faktoren sind entscheidend. Dies genau aufzuzeigen, ist aber sehr schwierig. Hier wirkt die Akkumulation verschiedener Verhaltensweisen.
Welches konkrete Verhalten meinen Sie?
Ab dem Zeitpunkt ihrer Geburt werden Buben und Mädchen unterschiedlich behandelt. Ihnen wird beispielsweise Unterschiedliches vor die Augen gehalten oder in die Hände gedrückt. Dadurch entwickeln sie verschiedene Interessen. Es laufen viele kleine Prozesse ab, die dazu führen, dass ein Bub zum Auto greift. Dass er zuvor 100 Mal ein Auto in die Hand gedrückt bekommen hat, daran denkt man dann nicht mehr.
Gibt es noch andere Einflüsse?
Ebenfalls eine grosse Rolle spielen die Medien: Von allen Seiten wird Kindern und Eltern vorgehalten, wie ein Bub zu sein hat und wie ein Mädchen. Wir wissen aber inzwischen, dass Umwelteinflüsse die Hirnentwicklung von Kindern sehr stark beeinflussen.
Spielt Biologie auch sonst eine Rolle?
Sicher spielt sie irgendwie eine Rolle. Aber wie, das ist schwer festzustellen. Denn sobald Kinder auf der Welt sind, werden sie beeinflusst. Dabei werden Buben bezogen auf Spielzeug viel stärker gesteuert als Mädchen.
Also spielt die Biologie aus Ihrer Sicht keine Rolle?
Als sozialwissenschaftlich arbeitende Geschlechterforscherin entscheide ich mich von Anfang an, die Einflüsse für die kindliche Entwicklung zu untersuchen, die wir beobachten können. Und die sind sozialer Art. Demgegenüber sind die biologischen Prägungen nur schwer nachweisbar.
Forscher haben allerdings herausgefunden, dass bereits einen Tag alte Babys unterschiedliche Interessen aufweisen. Buben schauen häufiger und länger Gegenstände an, während Mädchen personenbezogener sind. Was sagen Sie dazu?
Das scheint mir problematisch zu sein. Da müsste man genau schauen, wer diese Studie wie gemacht hat. Es ist schwierig, das nachzuweisen. Ich bin keine Biologin. Aber die Geschlechterforschung zeigt, dass biologische Einflüsse auf unterschiedliches Spielverhalten schwach sind. Sonst könnte man sich dem ja nicht entziehen.* Aber es sind ja nicht alle Mädchen so: Manche spielen mit Autos.
Stellen Sie die biologisch-psychologische Forschung als Ganzes infrage?
Wir wissen, dass scheinbar objektive naturwissenschaftliche Erkenntnisse stark von den normativen Vorstellungen der Forschenden beeinflusst sind. So galt es noch bis vor kurzem als bewiesen, dass Homosexualität unnatürlich ist. Mit der wachsenden Akzeptanz der Homosexualität zeigen Forschungen vermehrt, wie verbreitet bei vielen Tieren homosexuelle Praktiken sind. Auch basieren viele naturwissenschaftliche Forschungen auf sehr kleinen Fallzahlen, so wird in der Hirnforschung oft mit 5 bis 10 Personen gearbeitet. Das macht die Verallgemeinerung der Ergebnisse problematisch.
Psychologen argumentieren, das unterschiedliche Spielverhalten sei sowohl in verschiedenen Kulturen als auch bei Tieren zu beobachten. Es sei universell.
Es gibt so viele Studien, die ganz unterschiedliche Aussagen machen [oh! Nur 'die Geschlechterforschung' ist davon ausgenommen?] Aber Daraus abzuleiten, das Spielverhalten sei biologisch bedingt, ist sehr problematisch. Die soziale Prägung aber lässt sich direkt beobachten.
Welche Belege liefert die Gender-Forschung hierfür?
Zum Beispiel die Tests mit unterschiedlich gekleideten Kindern: Wird ein Kind blau angezogen, nehmen die Leute an, es handle sich um einen Buben. Deshalb gehen sie mit dem Kind anders um: Seine Stärke wird hervorgehoben, während bei Mädchen die Schönheit gelobt wird. Dieses Beispiel zeigt, wie Kinder von Beginn an geprägt werden. Und ausserdem: Wenn das Ganze biologisch festgelegt wäre, wieso sollten wir uns mit der Erziehung dann so viel Mühe geben? Mit der Sozialisierung hingegen kann man Einfluss nehmen und das verändern, was man nicht so gut findet. Durch Erziehung kann man das Spektrum der Kinder zum Beispiel erweitern. Das ist eine gesellschaftliche Entscheidung.
Geht es dann nicht eher um Ideologie als um Forschung?
Jede Forschung geht von kulturell bestimmten Annahmen aus. Das beeinflusst, was gesehen oder gemessen wird. Forschung ist immer kulturell geprägt.
Nun, Ideologie hin oder her: Viele Buben wünschen sich nun einmal ein Auto.
Ja, weil besonders kleine Kinder gerne dem entsprechen, was von ihnen erwartet wird. Kinderfilme oder Werbung zum Beispiel führen ihnen permanent vor, was sich ein Bub oder ein Mädchen wünschen sollte.
Was für Auswirkungen hat Spielzeug?
Spielzeug führt Kinder in das Leben ein. Es kann spätere Lebensentscheidungen wie die Berufswahl beeinflussen.
Sollen Eltern ihrer Tochter also lieber keine Puppe zu Weihnachten schenken?
Ein Geschenk soll ja Freude machen. Man sollte den Kindern aber auch andere Angebote machen. Dabei geht es nicht darum, alle Kinder gleich zu machen, sondern darum, Unterschiede zwischen Buben und zwischen Mädchen möglich zu machen.
Andrea Maihofer ist Professorin für Geschlechterforschung und Leiterin des Zentrums Gender-Studies in Basel.
*) Glaubt sie das im Ernst: Wo eine biologische Disposition vorhanden ist, wirkt Kausalität wie in einem Uhrwerk?! Was ein Glück, dass sie keine Biologin geworden ist, sondern nur eine sozialwissenschaftlich arbeitende Geschlechterforscherin. JE
Nota. - An dem (wissenschaftlich) ausschlaggebenden Punkt hat sie ja Recht: Soziale Prägungen lassen sich im Experiment verhältnismäßig leicht beobachten; biologische nicht. Nur ist es gar nicht das, worauf es der feministischen Ideologin wirklich ankommt. Sondern: was sich im Experiment leicht beobachten lässt, das lässt sich in der Erziehung beeinflussen (manipulieren sagt man heut nicht mehr). Und das ist es, worum es ihnen geht; nicht um die Wissenschaft. Denn dass sie es beeinflussen wollen, das jubeln sie uns klammheimlich unter, ganz ohne Begründung.
Ich aber sage: Es ist gut, wenn Jungen wie Jungen aufwachsen können. Das wollen die Jungen so, und als Männern ist es ihnen selten leid. Was (oder wer) spricht also dagegen?
JE
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