Montag, 28. November 2016

Wir lassen uns auch durch den größten Sachverstand nicht von unserer politischen Überzeugung abbringen.


Andreas Schleicher

Wie die andern seriösen Blätter hatte der Wiener Standard vor wenigen Tagen über den Vorstoß des Bil- dungsforschers Stefan Hopmann gegen die Ganztagsschule berichtet: Sie bringe keinen nachweislichen didaktischen oder sozialpolitischen Vorteil - von Pädagogik redet schon niemand mehr - und schmeiße das Geld der Steuerzahler zum Fenster raus.

Die Zeiten ändern sich: Noch vor einem Jahr wäre die Meldung sang- und klanglos im Blätterrauschen untergegangen. Doch spricht es sich langsam, aber sicher herum: Da ist was faul. Jetzt muss der Oberhäupt- ling der PISA-Technokraten selbeer in die Bütt.

Wieder Der Standard:

Nun kommt Widerspruch von prominenter Seite. "Diese Einschätzung verwundert mich, ich teile sie abso- lut nicht", sagt Andreas Schleicher, Bildungsdirektor der OECD, "denn unsere Erkenntnisse zeigen eindeu- tig, dass die Ganztagsschule eine wichtige Voraussetzung für bessere Ergebnisse ist." Dies lasse sich so- wohl aus der internationalen Pisa-Studie als auch aus vielen nationalen Untersuchungen herauslesen: "Sie finden im internationalen Vergleich kaum ein System mit Spitzenleistungen, das nicht auf die Ganztags- schule setzt."

Wir leben in einem postfaktischen Zeitalter. Da kann man, wenn's passt, auch einfach mal die Unwahrheit sagen: "Das lasse sich sowohl aus der internationalen Pisa-Studie als auch aus vielen nationalen Untersu- chungen herauslesen." Es gibt keine solche Studien, und aus den PISA-Ergebnissen lässt es sich schon gar nicht "heraus-", noch nicht einmal hineinlesen: Die jeweiligen Leistungen der unterschliedlichen Schulsy- stem werden von den PISA-Fragebögen gar nicht erhoben. "Sie finden im internationalen Vergleich kaum ein System mit Spitzenleistungen, das nicht auf die Ganztagsschule setzt," das wäre das einzige Argument, das er hat - wenn es eins wäre.

Sie finden unter den Ländern, die auf der PISA-Rangliste in der unteren Hälfte rangieren, nicht eines, das nicht auf die Ganztagsschule setzt: Das hätte der Scharlatan sagen müssen, wenn er ein ehrlicher Mann wäre.

Es gibt überhaupt nur zwei Länder, in denen die pädagogischen Reformer je so stark gewesen sind, um den didaktisch unnützen und fiskalisch schädlichen Nachmittagsunterricht abzuschaffen: Deutschland und Österreich. Überall sonst ist man von der mittelalterlichen Ganztagsschule nie abgewichen, und selbst bei uns wollen die Statistiker der OECD das Rad der Geschichte nun wieder zurückdrehen.

Schleicher ist kein Bildungsforscher, sondern ein politischer Ideologe. Sein PISA-Konsortium ist kein wissenschaftliches Institut, das seine Forschungsmethoden und -ergebnisse offen darlegt und der Kritik zugänglich macht, sondern ein vom Fürsten beauftragtes geheimes Propagandaministerium, das seine Aufträge erfüllt.

In der Adenauerära machte ein CDU-Abgeordneter im Bundestag Furore mit dem denkwürdigen Satz: "Wir werden uns auch durch den größten Sachverstand nicht von unserer politischen Überzeugung abbringen lassen."

Denn die OECD hat ja selber ihre Auftraggeber, und das sind nicht die Schüler und ihre Eltern.





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